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Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag

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schwister? etc.p.p., von denen mich Thilo allerdings gleich nach der<br />

Mahlzeit befreite, indem er mich auf sein Zimmer bat.<br />

Das Zimmer selbst: ein schmuckloser Schrank, wohl ehemals Bestandteil<br />

eines der sterilen sogenannten »Jugendzimmer« aus dem Versandhaus, ein<br />

breites, hochglänzendes französisches Chrom-Schleiflack-Bett, mit<br />

nachgeäfftem Leopardenfell bezogen, ein gläsernes Beistelltischchen. An<br />

den Wänden abwechselnd nackte Mädchen oder Motorräder, gelegentlich<br />

auch nackte Mädchen auf Motorrädern. Außerdem zwei von diesen auf<br />

schwarzen Filz gedruckten Fluoreszenzpostern: Das eine zeigte, auf<br />

psychedelisch verfremdet, eine barbusige Negerin, einen Joint von der<br />

Größe einer Piccoloflasche rauchend; das andere stellte eine phantastische<br />

Landschaft mit ins Unermeßliche ragenden Felszinnen <strong>und</strong> in abgr<strong>und</strong>tiefe<br />

Klüfte stürzenden Wasserfällen dar, alles in die rotorangene Glut einer<br />

untergehenden Sonne getaucht; auf der höchsten Felszinne sah man die Silhouette<br />

eines nackten, sich umarmenden Paares im Gegenlicht; die Frau<br />

hatte eine Hand wie zum Gruß erhoben. Die Türe des Zimmers diente als<br />

Pinwand; neben Merkzetteln <strong>und</strong> dergleichen fielen mir dort ganz<br />

besonders eine Plastiktüte mit dem Notvorrat Tabak darin sowie eine<br />

Dollarnote auf, letztere war so angebracht, daß die Rückseite mit der<br />

Pyramide <strong>und</strong> dem Gottesauge darin zu sehen war. Die Krönung des<br />

Zimmers bildete eine Stereoanlage, die aussah wie das Kontrollpult eines<br />

Raumschiffs aus einer billigen amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie<br />

(dazu zwei Boxen von der Größe eines Nachtschränkchens), welche<br />

auch prompt in Gang gesetzt wurde; irgend etwas Led-Zeppelin-Ähnliches,<br />

was es genau war, habe ich vergessen, auf jeden Fall war es sehr laut.<br />

Ich hatte mich aufs Bett gesetzt <strong>und</strong> war auf dem besten Weg, mir durch<br />

eingehendes Studium der Aktposter an den Wänden eine nutzlose Erektion<br />

zu verschaffen, als plötzlich eine Packung Roth=Händle in meinem<br />

Gesichtsfeld auftauchte. Um mir keine Blöße zu geben, nahm ich eines<br />

dieser Folterstäbchen aus dem mir dargebotenen Päckchen, <strong>und</strong> paffte es<br />

mit einem Gesicht, als sei ich noch ganz andere Dinge gewohnt, <strong>und</strong><br />

Roth=Händle eine kleine Nachtmusik dagegen. Dazu servierte Thilo des<br />

weiteren einen doppelten Jim Beam; ich mimte natürlich weiter den harten<br />

Mann <strong>und</strong> bölkte das bernsteinfarbene Feuerwasser in einem Zug hinunter:<br />

Ewig wird es mir gedenken, dieses Gefühl aus innerer Glut, Leichtigkeit im<br />

Kopf <strong>und</strong> sanfter Übelkeit im Magen, während auf der Platte der<br />

Sologittarist vergeblich versuchte, gleichzeitig das Jüngste Gericht <strong>und</strong> den<br />

zweiten Weltkrieg zu intonieren, wobei im Hintergr<strong>und</strong> offenbar gerade ein<br />

Sack Kartoffeln über dem Schlagzeug entleert wurde.<br />

So saßen wir einige Zeit. Dann fragte mich Thilo, ob ich mir schon was<br />

Bestimmtes in Bezug auf die Abendgestaltung vorgestellt hätte. Ich hatte<br />

die Frage beim ersten Mal überhört, denn ich war in die Musik vertieft <strong>und</strong><br />

obendrein versunken in den Anblick einer monumentalen Cumuluswolke,<br />

die gerade am Fenster vorbeizog, »sehr weiß <strong>und</strong> ungeheuer oben« (wo zum<br />

Teufel hatte ich dieses Zitat gelesen?), <strong>und</strong> reagierte erst, als Thilo seine<br />

Frage wiederholte. Ich gab zur Antwort, daß ich mir noch nichts Konkretes<br />

überlegt hätte, weil ich mich hier ja nicht auskannte <strong>und</strong> keine Ahnung<br />

RAINER BERNI 54

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