Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag
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Wart mal ab, was ich noch schreibe. - Hast du auch im Seminar Probleme<br />
damit, daß die Leute auf der Matte stehen <strong>und</strong> sagen: Mach eine Sendung<br />
mit mir!<br />
Och, ich habe wenig Druck von euch erfahren. In der Regel waren die Leute<br />
überrascht, wenn ich zu ihnen gesagt habe, ich würde gern eine Sendung<br />
mit dir machen. Es gibt so Fälle, wo man ... mir fällt ein spezieller Fall ein -<br />
ich will aber in diesem Gespräch nicht darüber reden - wo ich vielleicht<br />
jemanden zur Literatur als einer Berufs- <strong>und</strong> Lebensperspektive verlockt<br />
habe, wo ich doch die allergrößten Bedenken habe, ob die liebenswerte<br />
Person das einhalten kann. Es ist mir immer lieber, wenn sich jemand von<br />
der Literatur unabhängig macht. Zumal sie so ein gefräßiges Ungeheuer ist.<br />
Von den Lebenserwartungen zur Projektion: Wird nicht auf dich<br />
projiziert, daß du ein Vater bist, in geistiger Hinsicht, oder auch sonst?<br />
Sind daraus für dich Komplikationen erwachsen?<br />
Eigentlich nicht so stark. Ich wollte auch weniger als Vater in Erscheinung<br />
treten als als potentieller Liebhaber. (Lachen)<br />
Wie groß schätzt du die beiden Rollen ein?<br />
Man kann ja ruhig mal offen reden: Ich hatte mit niemandem im Seminar<br />
das, was man ein Liebesverhältnis nennt. Mir ist sozusagen die<br />
Sublimierung immer gelungen. Ich bin auch ganz froh darüber, im Gr<strong>und</strong>e.<br />
Woody Allen kommt damit wohl schlechter zurecht, wie man hört.<br />
Wie steht es nun mit der geistigen Vaterfigur, von der man sich nachher<br />
emanzipieren muß, indem man aus dem Seminar notfalls wieder<br />
rausgeht?<br />
Je größer die Projektionen waren, desto größere Aggressionen habe ich<br />
geerntet. Für nix & wieder nix. Aber mehr so im Umkreis des R<strong>und</strong>funks<br />
<strong>und</strong> von Kollegen beim R<strong>und</strong>funk. Durch eine starke Projektion ist eine<br />
Übererwartung eingetreten, <strong>und</strong> ich wurde vom Gott zum letzten Dreck <strong>und</strong><br />
war allerlei Intrigen ausgesetzt <strong>und</strong> Nachstellungen. Es gab auch einen<br />
gemeingefährlichen Stadtneurotiker, dessen Name mir nicht über die<br />
Lippen kommt, der versucht hat, mich fertigzumachen durch Pamphlete <strong>und</strong><br />
Androhung von Prügeln, nur weil er sich von mir seine Erlösung erwartet<br />
hat. Und ich sollte ihn sozusagen zum Schriftsteller schlagen, wie ein<br />
Ritterschlag. Aber das muß er schon selber machen. Das kommt manchmal<br />
vor, aber nicht so häufig. Im Seminar eigentlich immer eine hohe Dezenz.<br />
Es kam selten jemand <strong>und</strong> hat sich als Sozialfall auf meinen Schoß gesetzt.<br />
Ich lehne das auch ab.<br />
Was du über Erotik <strong>und</strong> die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit<br />
gesagt hast, hat schon poetologische Tendenzen. Andererseits arbeiten<br />
wir im Seminar mit diesen sogenannten Bauernregeln, wie Plaudere den<br />
Sinn nicht aus! oder Verwende keine Adjektive! Kannst du etwas zum<br />
Zusammenhang dieser Regeln mit deiner Poetologie sagen?<br />
Ungern. Ich hatte das immer so in Anführungszeichen, als Primitivhandwerkszeug,<br />
apostrophiert. Auf seltsame Art durchbricht ja das Epigramm<br />
auch dauernd die Regel, Sinn nicht auszuplaudern. Es versucht, den Sinn zu<br />
inkarnieren, ein Sinngebilde zu erstellen, das noch mit den Gegenständen,<br />
aus denen dieser Sinn abgeleitet ist, in einer formalen Konkurrenz sich<br />
SURFLÜGE 169