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Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag

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nachlesen. Ich denke, die Wirkung kommt durch den Austausch <strong>und</strong> durch<br />

die lebendige Literaturkritik. Ob man überzeugend seine Literaturkritik vermitteln<br />

kann, ist die Frage. Ob es einem gelingt, das Gelungene zu<br />

erkennen. Aber auf meinem Lustprinzip kann ich auch surfen, ohne in der<br />

Erkenntnis weitergekommen zu sein. Diese ganze<br />

Selbstbedienungsliteratur, die sich gut fühlt <strong>und</strong> die von bestimmten<br />

<strong>Verlag</strong>en vertrieben wird, die irgendwie lebensbejahend <strong>und</strong> touchy ist, das<br />

ist schon die Erfüllung? Ist sie aber wahrscheinlich nicht.<br />

Gibt es am Seminar, am Umgang im Seminar etwas, an dem du vielleicht<br />

Kritik üben würdest?<br />

Sicher. Zum Beispiel daran, daß man zarte Pflänzchen einschüchtert. Es ist<br />

aufgebaut auf das Prinzip der Ermutigung zur eigenen Kraft. Wenn du<br />

etwas kritisierst, was du für mißlungen hältst, läuft es oft auf eine<br />

Demütigung des Hervorbringers hinaus. Das mißlingt pädagogisch sehr oft,<br />

daß man die Person weiter ermutigt <strong>und</strong> gleichzeitig ihre Sachen kritisiert.<br />

Da sind auch viele weggeblieben, die sich schlecht behandelt fühlten. Man<br />

soll nicht die Leute verprellen. Man muß die Kritik auf einem Niveau halten<br />

können, das nicht einschüchtert.<br />

Oft muß die Kritik übertrieben werden, damit sie überhaupt formuliert<br />

werden kann. Und es gibt auch Fälle, in denen sich die Leute so<br />

gedemütigt fühlen, daß sie wegbleiben. Der Autor verteidigt sich oft mit<br />

an den Haaren herbeigezogenen Gegenargumenten, da er nicht merkt,<br />

daß die Kritik dem Text gilt. Er versucht, den Text mit der eigenen Person<br />

zu verteidigen, sich davor zu stellen, damit man nicht auf den Text<br />

einschlägt. Man muß dann Person <strong>und</strong> Text wieder separieren, beide<br />

auseinanderziehen.<br />

Was ich auch versuche zu erklären mit diesem Bild, daß man den eigenen<br />

Text, wie ein Torero das rote Tuch, neben sich hält, damit der Stier der Kritik<br />

reinrennt. Aber das Ziel des Toreros ist es, dabei unverletzt zu bleiben.<br />

Wir denken als Hervorbringer, daß unsere Gedichte das eigene Zwerchfell<br />

sind.<br />

Nur, daß das im Seminar nicht immer gelingt. Wir haben zwar dieses<br />

Konzept im Kopf, aber manchmal geht die Emotion mit uns durch.<br />

Und natürlich auch die Selbstgefälligkeit. Man kommt ja zu seiner eigenen<br />

Redevollkommenheit, wenn man phantastisch etwas anderes niedermachen<br />

kann. Dann produziert man sich selbst auf Kosten anderer. Da das aber zur<br />

eigenen Gedankenfindung gehört ...<br />

Die Entwicklung der Gedanken beim Reden.<br />

Das Ganze sollte zum Streitgespräch werden. Wenn nur aus karitativen<br />

Gründen keine Kritik stattfindet, hat es auch keinen Sinn. Ich urteile im<br />

Seminar manchmal vorschnell oder aggressiv. Dann soll gefälligst<br />

widersprechen, wer sich ungerecht behandelt fühlt, oder andere, die die<br />

Gerechtigkeit wahrnehmen können. Man ist ja nicht ein Pächter der<br />

Wahrheit in der Literaturbeurteilung. - Ein zweiter Nachteil des Seminars:<br />

Im Gr<strong>und</strong>e sind es Einzelgespräche. Dadurch, daß man sich um das Wort<br />

streitet, kann man nicht richtig gründlich sein. Oft muß man zu viele <strong>und</strong> zu<br />

lange Texte kritisieren, <strong>und</strong> man kann nicht bei der Gruppenkritik, die ein<br />

SURFLÜGE 171

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