Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag
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Ich saß manchmal im Seminar drin <strong>und</strong> dachte: Was machst du hier<br />
eigentlich? Du kannst die Zikadengeschichte nicht mehr hören. Obwohl<br />
ich sie immer wieder vergesse <strong>und</strong> dann gerne nochmal höre.<br />
KLAUS: Warum geht man nicht mehr hin? Könnte es die Sehnsucht sein<br />
nach einer anderen Poetologie?<br />
HELGE: Es gibt keine Leute, die nicht mehr hingehn. Sabine geht zwar seit<br />
Jahren nicht mehr hin, aber in Wirklichkeit interessiert dich die Sache so<br />
sehr, daß du als Mitherausgeberin eines ...<br />
SABINE: Nee.<br />
HELGE: - Na, aber Ralf! (GELÄCHTER)<br />
SABINE: Ich muß doch sehr bitten, wir sind keine siamesischen Zwillinge.<br />
KLAUS: Es ist aber merkwürdig, daß er jetzt nichts sagt, während du die<br />
ganze Zeit redest.<br />
OLIVIA: Ralf, warum sagst du den ganzen Abend nichts?<br />
RALF: Ich höre lieber zu.<br />
(STILLE)<br />
HELGE: Jetzt rede!<br />
KLAUS: Nein, das ist ganz gut, wenn wenigstens einer der Herausgeber ein<br />
bißchen auf Distanz bleibt. (LACHEN)<br />
ANGELA: Wir haben ihn nämlich bestochen. Wir haben gesagt, wenn du<br />
schweigst den ganzen Abend, kriegst du eine Flasche Wein.<br />
KLAUS: Wo ist sie denn?<br />
RALF: Die trinkt Helge schon die ganze Zeit.<br />
Fünf Zeilen über Hasen ...<br />
ANGELA: Was ist anders als früher? Hat sich das Seminar verändert?<br />
HELGE: Natürlich.<br />
SABINE: Aber doch keine Fortschritte.<br />
HELGE: Doch doch: Routinierter, cooler, professioneller, schneller.<br />
SABINE: Bei uns gabs halt niemanden, der z.B. so professionell schreibt wie<br />
Wolfgang. Das war alles so das gleiche Veröffentlichungslevel, mal da,<br />
mal dort, vielleicht mal auch einen eigenen Band.<br />
ANGELA: Zu Textformen. Ich höre manchmal von Leuten, daß in den<br />
Anfangszeiten des Seminars auch andere Formen von Texten gelesen<br />
worden sind, z.B. sehr viel politischere, daß es mehr politische Diskussionen<br />
gab.<br />
KLAUS: Ich erinnere mich, daß der Rahmen für literarische Texte weiter<br />
gesteckt war, d.h. es war durchaus denkbar, daß jemand herkam <strong>und</strong> ein<br />
Flugblatt vorlas, daß er zu irgendeinem politischen Zweck verfaßt hatte,<br />
daß es also um die literarischen Kriterien eines Flugblatt-Schreibens<br />
ging. Da gab es eben noch diese politischen Ambitionen in der Literatur,<br />
die heute doch sehr zurückgenommen sind oder vielleicht indirekter<br />
wirken.<br />
HELGE: Die politische Atmosphäre ist doch eine ganz andere. Man hat nicht<br />
mehr die einfachen Gut/böse-Fre<strong>und</strong>/Feind-links/rechts-Schemata. Das<br />
ist doch alles vollkommen zerstört. Man kann heut kein Gedicht mehr<br />
schreiben, wie es 68 oder 72 möglich war. Man hatte ganz klare<br />
BIER, SEX UND PRELLBALL ... 20