Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag
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Zeiten, dem der Ozean innerhalb der bekannten Routen zu eng geworden<br />
war <strong>und</strong> jenseits des Erforschten nicht den Tod durch Seeungeheuer <strong>und</strong><br />
den alles verschlingenden Mahlstrom fand, wie man ihm prophezeite;<br />
sondern vielmehr liebliche Eilande in sonnenbeglänzter See, auf denen das<br />
goldene Zeitalter noch kein Ende genommen hatte, duftend nach Muskat<br />
<strong>und</strong> Nelkenblüten, die ihre Reichtümer ausbreiteten für den furchtlosen<br />
Entdecker.<br />
Wir also eingestiegen in den Kadett <strong>und</strong> losgedüst mit Thilos obligatorischem<br />
Höllenkaracho: Gewaltig blies der Wind durchs offene Fenster<br />
<strong>und</strong> verzettelte sich im Innern des Wagens, ließ Haare wehen <strong>und</strong> blies etliche<br />
Zigarettenstummel aus dem überquellenden Aschenbecher, lautstark<br />
klagte der betagte Motor sein Leid in die sommerlichen Straßen hinaus.<br />
Eine ungeheuerlich grelle Sonne stach mir in die Augen, trotz der bereits<br />
heruntergeklappten Sonnenblende, auf der mit Filzstift irgendwann einmal<br />
jemand den Benzinverbrauch errechnet hatte; daneben Aufkleber; in rohem<br />
Pop-Art-Stil gehaltene barbusige Schönheiten, irgendeine Colawerbung.<br />
Vor einem Haus machten wir halt: Thilo stieg aus, ich sollte hingegen sitzenbleiben,<br />
was ich auch tat. Es dauerte verdammt lange, <strong>und</strong> Warterei<br />
(jedenfalls bei mir) zehrt an den Nerven. Der Rauch meiner Zigarette kräuselte<br />
sich zum offenen Fenster hinaus ins Himmelblau, strebte hinauf zu den<br />
zart hingetuschten weißen Wolken. Nichts passierte: fast nichts, abgesehen<br />
von einigen Geräuschen, gesänftigt durch die Entfernung, nicht mehr definierbar.<br />
Fingern am Radio: natürlich, Fußball, was sonst; eine hektische<br />
Stimme schrie Kabbalistisches durch ab <strong>und</strong> anschwellende Kakophonien<br />
aus Geschrei <strong>und</strong> Preßlufttröten; ich drehte weiter an der Skala, ohne einen<br />
anderen Sender manierlich hineinzubekommen, ausgenommen einen penetranten<br />
Koloratursopran, der auf mein Nervenkostüm ungefähr so wirkte<br />
wie das Geräusch eines Zahnarztbohrers. Irgendwann wurde mir das Spiel<br />
zuviel <strong>und</strong> ich gab auf. In meiner Verzweiflung vertiefte ich mich<br />
schließlich in ein altes Zeitungsblatt, das unter allerlei Gerümpel im<br />
Handschuhfach hervorlugte, ölbefleckt. Endlich tauchte Thilo wieder auf,<br />
stieg ein <strong>und</strong> demonstrierte kurz den kleinen Plastikbeutel, den er gleich<br />
wieder in seiner Hosentasche barg: GRAS! Vom Feinsten, aus Marokko,<br />
fügte er hinzu. W<strong>und</strong>erbar!<br />
Wir fuhren weiter; unser nächster Halt war eine Tankstelle mit Wochenenddienst<br />
zwecks Einkauf diverser Alkoholika. Offenbar eine nicht unbeliebte<br />
Anlaufstelle, jedenfalls herrschte ein Mordsbetrieb; viele Leute hatten<br />
genau wie wir die Absicht, gerüstet zu sein für die Samstagnacht, mit<br />
Benzin im Tank <strong>und</strong> einem Sixpack oder einer Flasche Wein im<br />
Handschuhfach.<br />
Natürlich war es noch immer früh am Tage, <strong>und</strong> wir beschlossen,<br />
nachdem ein Sixpack, zwei Flaschen billigen Rotweins <strong>und</strong> eine Flasche<br />
noch billigeren Whiskys eingekauft waren, die Zeit bis zur Dämmerung<br />
noch in einer Kneipe zuzubringen. Schon bald waren wir in der Innenstadt<br />
<strong>und</strong> Thilo steuerte mit Bestimmtheit auf ein kleines Lokal in einer<br />
Seitenstraße zu. Über die zwei St<strong>und</strong>en, die wir dort zubrachten, gibt es<br />
nicht viel zu erzählen. Das Lokal war gemütlich, aber nicht besonders<br />
RAINER BERNI 56