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Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag

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schnitzte er auch nette Heiligenfiguren mit seinem Lieblingsmesser, das ich<br />

ihm schon in den Leib hätte stoßen müssen, also bis ans Heft in die Brust,<br />

um es ihm zu entreißen, doch das lag mir fern. In Afrika hatte er es erstanden,<br />

<strong>und</strong> ich habe nie begreifen können, warum er die Frau nicht geheiratet<br />

hatte, als sich ihm noch die Gelegenheit dazu bot. Nach allem was er mir<br />

von ihr erzählte, warf sie den schönsten Augenblick. Ob sie ihn überhaupt<br />

ernst nahm? Durchtriebene Gemüsefrauen rieben sich die Hände <strong>und</strong><br />

packten altes Obst in Tüten, wenn er kam. Dicke lachten ihn ungeniert aus,<br />

das konnte ihn nicht unberührt lassen, vor allem, wenn man in Betracht<br />

zieht, daß all die anderen, Alte, Kranke, Kirchgänger u.s.w. ebenfalls ihre<br />

helle Freude an ihm hatten.<br />

Wir I<br />

Eines Tages besuchten wir einen alten Apotheker, der uns in sein Wohnzimmer<br />

einlud, wo ein zaubrisch dampfender Tee für uns bereit stand.<br />

Schon nach wenigen Minuten waren der greise Giftmischer <strong>und</strong> mein Onkel<br />

in ein Gespräch über die Herstellung <strong>und</strong> Bemalung von Zinnfiguren<br />

vertieft, während mein Tee sich gallisch bitter schlürfte. Nun ereiferten sich<br />

die Herren immer mehr, Hauptstreitpunkt war wohl die Verwendung eines<br />

bestimmten Blautons für die Uniform eines häßlich schielenden<br />

Infanteristen, als mein Onkel plötzlich, auf Gr<strong>und</strong> eines weiteren scheinbar<br />

unwichtigen Details vollkommen aus der Fassung geraten, weiß-grünlich<br />

schimmernder Schaum wabberte zwischen seinen welken Lippen hervor, er<br />

zischte <strong>und</strong> krächzte, aufsprang, <strong>und</strong>, ich weiß nicht woher er die Schere<br />

nahm, dem völlig verdutzten Apotheker seinen stattlichen, wenn auch<br />

durchgrauten Bart abschnitt <strong>und</strong> denselben in ein nahestehendes Aquarium<br />

warf, worin das tote Gewusel vor den Augen einiger erschrocken zur Seite<br />

gewichener Fische bis auf den Gr<strong>und</strong> sank. Wir sahen noch, wie der so Beschnittene<br />

mit wutverzerrter Miene eine Muskete von der Wand riß, doch<br />

die Löwenhöhlentür fiel hinter uns ins Schloß, bevor der König der<br />

Apotheker seinen Fangschuß abgeben konnte.<br />

Wir II<br />

Natürlich hatten wir auch Spaß, obwohl mein Onkel sich auch der folgenden<br />

Geschichte nur äußerst ungern erinnert <strong>und</strong> standhaft den Kopf<br />

schüttelt, wenn ich im Begriff stehe, sie zu erzählen. An einem Freitag<br />

besuchte uns ein wildes, fremdes <strong>und</strong> uns ganz <strong>und</strong> gar entzückendes,<br />

obendrein junges Mädchen, das seine blonden Strähnen feengleich aus dem<br />

Gesicht strich <strong>und</strong> feststellte, bei uns sei es wohl ein wenig wonnig. Sie<br />

bewegte sich mittels kleiner Sprünge gleichsam schwebend durch unsere<br />

Zimmer, besah sich dies, die Zinnfiguren ließ sie links liegen, <strong>und</strong> das, bis<br />

sie mit einem besonders anmutigen Hüpfer das knisternde Feld um uns<br />

wieder betrat <strong>und</strong>, uns vielsagend schelmisch anleuchtend, anhob: Ich bin<br />

gekommen, euch ein Rätsel aufzugeben. Könnt ihr es lösen, so bin ich die<br />

Eure für eine Nacht; - ich sah sie in unsere Federn hüpfen - solltet ihr<br />

jedoch scheitern; - da wurde mein Onkel zum ersten Mal blaß, - müßt ihr<br />

STEFFEN AUG 79

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