Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag
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Rainer Berni<br />
Judith oder<br />
Im Flimmerstaub<br />
des Sommers<br />
Ein Popsong in Prosa<br />
(1. Strophe)<br />
Zu dem Zeitpunkt, an dem diese Geschichte anhebt, war ich siebzehn;<br />
ein Alter nicht ohne Probleme, viele, viele Probleme; aber auch ein Alter<br />
prall gefüllt mit Hoffnungen <strong>und</strong> Tatendrang, in dem die Welt noch frisch<br />
<strong>und</strong> neu schmeckt, besonders wenn es dann noch Sommer ist <strong>und</strong><br />
schulfreier Samstag obendrein. Und irgendwann an einem solchen schulfreien<br />
Samstag im Sommer schlug ich die Augen auf <strong>und</strong> das erste, was ich<br />
sah, waren die im Sonnenlicht flirrenden Staubteilchen, <strong>und</strong> nachdem ich<br />
aus dem Bett gestiegen war <strong>und</strong> das Fenster geöffnet hatte <strong>und</strong> mein Blick<br />
sich über die Dächer hinweg im Blaudunst entfernter Hügel am Horizont<br />
verlor, wußte ich, daß es ein guter Tag werden würde.<br />
Ich zog mich an, ging hinunter in die Küche <strong>und</strong> war gerade dabei, mir<br />
einen Kaffee zuzubereiten, als mir meine Frau Mutter über den Weg lief<br />
<strong>und</strong> mir zu verstehen gab, es sei bereits ein Uhr <strong>und</strong> das Mittagessen bereits<br />
vorbei <strong>und</strong> überhaupt eine Sünde <strong>und</strong> Schande, so lange zu schlafen <strong>und</strong> wo<br />
um Himmels Willen ich mich gestern abend wieder so lange<br />
herumgetrieben hätte <strong>und</strong> ob ich denn überhaupt nichts für die Schule zu<br />
lernen hätte <strong>und</strong> ich antwortete, wenn ich etwas für die Schule zu lernen<br />
hätte, würde ich das schon machen <strong>und</strong> überhaupt brauche sie sich nicht um<br />
meine Angelegenheiten zu kümmern <strong>und</strong> wie lange ich schlafe etzettera, ich<br />
würde ihr ja auch nicht in ihren Krempel reden <strong>und</strong> sie entgegnete, das<br />
wollen wir doch mal sehen, immerhin sei ich noch lange nicht volljährig<br />
<strong>und</strong> sie immer noch erziehungsberechtigt <strong>und</strong> ich sagte, ja, jetzt noch nicht<br />
aber bald, <strong>und</strong> als meine Mutter begann, über die Regierung herzuziehen<br />
<strong>und</strong> daß es ja wohl das Hirnrissigste sei, die Leute schon mit 18 als<br />
erwachsen zu erklären, wußte ich, daß jede weitere Diskussion zwecklos<br />
war. Kehrte ihr also den Rücken <strong>und</strong> ließ auch die Kaffeemaschine stehen<br />
<strong>und</strong> bemerkte nur noch, daß ich mich jetzt auf die Socken machen, ein paar<br />
Leute besuchen <strong>und</strong> wohl kaum vor morgen früh wieder nach Hause<br />
RAINER BERNI 50