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Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag

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hatte, wo was los war, mir außerdem alles egal sei, solange es sich nicht um<br />

eine Disco handele, <strong>und</strong>, so ganz nebenbei, daß es mir nicht unangenehm<br />

sei, wenn sich die Gelegenheit bieten würde, etwas zu rauchen. Das<br />

sowieso, meinte Thilo, ich müßte allerdings noch bis zum Abend Geduld<br />

haben. Macht nix, erwiderte ich, Hauptsache, es gibt was. - Klar gibts was,<br />

erhielt ich zur Antwort, <strong>und</strong> ich frohlockte innerlich: Es lief alles wie am<br />

Schnürchen! Thilo entschuldigte sich einen Moment: zum Telefonieren,<br />

schenkte mir noch einen Jim Beam ein <strong>und</strong> bot mir eine weitere<br />

Roth=Händle an, die ich für dieses Mal aber ablehnte: Ich hab selber<br />

Zigaretten, <strong>und</strong> mir zum Beweis dessen eine Camel anzündete. Dann<br />

vertiefte ich mich, während Thilo draußen war, in ein Exemplar des<br />

»Playboy«, das ich auf dem Nachtschränkchen liegen gesehen hatte, <strong>und</strong> las<br />

<strong>und</strong> las mit Vergnügen die mit Bildern von glanzlackierten, makellosen<br />

Playmates garnierten Berichte aus aller Welt, von Bars, in denen<br />

Hemingway GinTonic zu schlürfen pflegte, von Hummerpasteten, die man<br />

einfach gegessen, <strong>und</strong> Gruppensexvarianten, die man einfach ausprobiert<br />

haben mußte, um überhaupt noch ein würdiges Mitglied der menschlichen<br />

Gesellschaft zu sein. Nach alledem, was da stand, war ich jedenfalls eine<br />

Null, ein Nichts, bestenfalls ein armes Würstchen; nicht nur deswegen, weil<br />

ich noch nie Hemingways Stammkneipe in Key West frequentiert hatte oder<br />

mir nichts aus Hummerpastete machte; nein, was tief in mir brannte, war<br />

die Scham noch nie im Leben etwas mit einem Mädchen gehabt zu haben;<br />

kurz gesagt, wäre ich zufällig kein Mann gewesen, hätte ich eine mustergültige<br />

viktorianische Jungfrau abgeben können. Und an mangelndem<br />

Willen konnte es weiß Gott bei mir nicht gelegen haben: Nur gebrach es<br />

mir offenbar an der geheimnisvollen kabbalistischen Formel, ein Mädchen<br />

ins Bett zu bekommen.<br />

Als ich gerade mitten dabei war, mich deswegen in Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden zu<br />

schämen, kam Thilo zurück <strong>und</strong> erzählte mir, die Abendgestaltung sei gesichert,<br />

wir müßten uns nur unverzüglich auf die Socken machen, es gelte<br />

noch Getränke <strong>und</strong> Dope einzukaufen. Ich steuerte spontan 30 DM bei, für<br />

mich damals ein Haufen Geld, aber diese Euphorie, die mich überfallen<br />

hatte, machte jeden Einwurf des ges<strong>und</strong>en Menschenverstandes zunichte.<br />

War doch allein das Wort Haschisch zu dieser Zeit imstande, in mir die<br />

Emotionen zu einem alles verschlingenden Wirbel anschwellen zu lassen:<br />

Haschisch, Quintessenz aller verbotenen Früchte, Quelle ungeahnter Erfahrungen,<br />

Bindeglied zwischen Trägheit des Körpers <strong>und</strong> Regsamkeit der Gedanken,<br />

das Tor zu geheimnisvollen Welten jenseits von Aquadratplusbequadratgleichzehquadrat,<br />

Moral <strong>und</strong> Pflicht, ein ganz besonderes Tor, das<br />

den Durchlaß nur demjenigen freigibt, der bereit ist, sich selbst <strong>und</strong> seinen<br />

Erfahrungen zu trauen <strong>und</strong> ein neueres <strong>und</strong> größeres Leben leben will als<br />

das Wandeln auf durch Jahrh<strong>und</strong>erte fest gefügten <strong>und</strong> planierten Wegen,<br />

die nirgendwo hinführen als zurück zu sich selbst. Ich hatte schon damals,<br />

beim Genuß meiner ersten Pfeife, festgestellt, daß an den<br />

Horrorgeschichten, die »Bravo« <strong>und</strong> »Welt« verbreiteten, kein Gran<br />

Wahrheit zu finden war; ich hatte es schon vorher nie so recht glauben<br />

wollen; <strong>und</strong> mir war zumute wie vielleicht einem Seefahrer vergangener<br />

RAINER BERNI 55

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