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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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<strong>Integration</strong> steht die Frage im Vordergr<strong>und</strong>, wie e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Teilsystem <strong>in</strong><br />

das übergreifende System <strong>in</strong>tegriert ist. 8<br />

Geht man von e<strong>in</strong>em relativen <strong>Integration</strong>sverständnis aus, so erkennt man<br />

an, dass Individuen <strong>und</strong> Gruppen <strong>in</strong> verschiedenen Bereichen des<br />

öffentlichen Lebens (Bildung, Arbeit etc.) <strong>unter</strong>schiedlich „gut oder schlecht“<br />

<strong>in</strong>tegriert se<strong>in</strong> können. In den verschiedenen Sub-Systemen oder Teilbereichen,<br />

die sich auf <strong>unter</strong>schiedliche Dimensionen der <strong>Integration</strong><br />

beziehen, existieren statistische Indikatoren, die Aufschluss über den Grad<br />

der <strong>Integration</strong> e<strong>in</strong>er Person/e<strong>in</strong>er Gruppe geben können. Diese statistischen<br />

Indikatoren beschreiben, wie <strong>und</strong> wo Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>en<br />

Platz <strong>in</strong> der Gesellschaft f<strong>in</strong>den (Haug 2006). Dabei gilt die Migrantenbevölkerung<br />

„als „<strong>in</strong>tegriert“, wenn die dem jeweiligen Bevölkerungsanteil<br />

entsprechende gleichberechtigte Partizipation der Migrantenbevölkerung an<br />

den Institutionen, den jeweiligen Hierarchiestufen <strong>und</strong> an den Gütern der<br />

Gesellschaft gewährleistet ist. Mit anderen Worten: <strong>Integration</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sub-<br />

System stellt sich e<strong>in</strong>, wenn bei der Migrantenbevölkerung ke<strong>in</strong>e<br />

Abweichungen von der Durchschnittsverteilung <strong>in</strong> der schweizerischen<br />

Bevölkerung festgestellt werden können. In welchen Bereichen des<br />

gesellschaftlichen Lebens Abweichungen von der Durchschnittsverteilung <strong>in</strong><br />

der Migrantenbevölkerung toleriert werden, ist letztlich e<strong>in</strong>e gesamtgesellschaftliche<br />

Frage (vgl. Haug 2006).<br />

Bei der Arbeit mit <strong>Integration</strong>s<strong>in</strong>dikatoren stellt sich e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />

praktischen Problemen. Das grösste Problem resultiert daraus, dass die verfügbaren<br />

Statistiken die Personen vor allem nach dem Faktor „Heimat“ 9<br />

kategorisieren. In der <strong>Migration</strong>sforschung spielt die Unterscheidung<br />

zwischen Schweizern <strong>und</strong> Ausländern aber nur e<strong>in</strong>e beschränkte Rolle, da sie<br />

zu „falschen“ Schlüssen führen kann: So wird <strong>in</strong> den offiziellen Statistiken <strong>in</strong><br />

vielen Fällen e<strong>in</strong>e Person, die von Ausländern abstammt, <strong>in</strong> der Schweiz geboren<br />

ist, dort alle Schulen besucht hat <strong>und</strong> auch dort arbeitet, zur Kategorie<br />

der Ausländer gezählt, während der Ehepartner e<strong>in</strong>es Schweizers bzw. e<strong>in</strong>er<br />

Schweizer<strong>in</strong>, der erst seit wenigen Jahren <strong>in</strong> der Schweiz wohnt <strong>und</strong><br />

erleichtert e<strong>in</strong>gebürgert wurde, <strong>in</strong> der Statistik als Schweizer/<strong>in</strong> angeführt. In<br />

der <strong>Migration</strong>sforschung gilt aus diesen Gründen die Nationalität schon<br />

länger nicht mehr als aussagekräftiges Kriterium (vgl. Haug 2006a: 70-71).<br />

8<br />

Stolz <strong>unter</strong>scheidet an dieser Stelle zwischen absoluter <strong>und</strong> relativer <strong>Integration</strong><br />

(Stolz im Ersche<strong>in</strong>en: 5).<br />

9<br />

Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er behördlichen Statistik nach „Heimat“ aufgelistet wird, so heisst das,<br />

dass zwischen der Gesamtheit der Schweizer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizer <strong>und</strong> der Gesamtheit<br />

der Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ausländern <strong>unter</strong>schieden wird.<br />

26<br />

Soziologisch relevant ist eher, ob e<strong>in</strong>e Person im Ausland (foreign born) oder<br />

<strong>in</strong> der Schweiz geboren (native born) ist. 10 Seit der Volkszählung 2000 gibt<br />

es diese Kategorisierung zwar <strong>in</strong> den demografischen Statistiken, aber sie hat<br />

sich bei den meisten der restlichen Statistiken (Sozialhilfestatistik etc.) nicht<br />

durchgesetzt. Viele Statistiken <strong>unter</strong>lassen es auch, Variablen wie Alter,<br />

Geschlecht, Herkunft, <strong>in</strong>dividuelle <strong>und</strong> soziale Ressourcen sowie Motive der<br />

<strong>Migration</strong> zu berücksichtigen. Ist man aber nicht im Besitz dieser Informationen,<br />

kann man leicht zu falschen Schlüssen gelangen.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Problem liegt dar<strong>in</strong> begründet, dass <strong>Integration</strong> e<strong>in</strong> Prozess ist,<br />

der sich über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum erstreckt. Diese zeitliche Dimension<br />

kann <strong>in</strong> den bestehenden Statistiken nur teilweise erfasst werden (Haug 2006:<br />

68-69). E<strong>in</strong> letzter Punkt, der im Zusammenhang mit den <strong>Integration</strong>s<strong>in</strong>dikatoren<br />

von Bedeutung ist, betrifft die ungenügende theoretische<br />

Untermauerung von vielen Indikatoren. In e<strong>in</strong>er kürzlich für den Kanton<br />

Zürich fertig gestellten Literaturstudie wird aufgezeigt, dass nur <strong>in</strong> seltenen<br />

Fällen wissenschaftlich belegt ist, ob e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen e<strong>in</strong>em<br />

vorgegebenen statistischen Indikator <strong>und</strong> der tatsächlichen <strong>Integration</strong> besteht<br />

(Carrel et al. 2010).<br />

Da bis heute ke<strong>in</strong>e besseren <strong>Integration</strong>s<strong>in</strong>dikatoren vorliegen, bezieht sich<br />

der vorliegende Bericht auf die vorliegenden statistischen Indikatoren. In den<br />

Kapiteln 5 bis 8 werden die statistischen Indikatoren verwendet, die<br />

aufzeigen, <strong>in</strong>wiefern e<strong>in</strong>e strukturelle <strong>Integration</strong> der Migrantenbevölkerung<br />

<strong>in</strong> den Bereichen Bildung, Arbeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit stattgef<strong>und</strong>en hat. Die<br />

zentrale Frage, die sich <strong>in</strong> diesen Kapiteln stellt, ist die der<br />

Chancengleichheit: Hat die Migrantenbevölkerung den gleichen Zugang zu<br />

den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens oder steht sie nach wie<br />

vor im „Abseits“? (Piguet 2004: 94). Für die Analyse der strukturellen<br />

<strong>Integration</strong> der Migrantenbevölkerung <strong>in</strong> den Bereichen Bildung <strong>und</strong> Arbeit 11<br />

liegen vergleichsweise aussagekräftige Daten vor. Im Bereich Ges<strong>und</strong>heit ist<br />

die Situation <strong>in</strong> Bezug auf die Migrantenbevölkerung <strong>in</strong>sgesamt weniger<br />

befriedigend. In den Kapiteln 4, 9 <strong>und</strong> 10, <strong>in</strong> denen die Themen „Spezifische<br />

<strong>Integration</strong>sförderung“, „Sicherheit“ <strong>und</strong> „Zusammenleben“ behandelt<br />

10 Auch die Unterscheidung nach native <strong>und</strong> foreign born ist nicht unproblematisch.<br />

K<strong>in</strong>der, die <strong>in</strong> der Schweiz geboren wurden, aber gleich anziehend wegziehen,<br />

werden, falls sie im Erwachsenenalter <strong>in</strong> die Schweiz zurückkommen, als „native<br />

born“ gezählt.<br />

11 Durch die Volkszählung <strong>und</strong> die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE)<br />

erhält man e<strong>in</strong>en relativ guten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Situation der Migrantenbevölkerung auf<br />

dem schweizerischen Arbeitsmarkt. Da die SAKE auf e<strong>in</strong>er Stichprobe beruht, ist die<br />

Anzahl der Antworten für e<strong>in</strong>e Auswertung nach Nationalität auf der kantonalen<br />

Ebene zu kle<strong>in</strong>.<br />

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