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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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Geme<strong>in</strong>deebene Ausländerkommissionen e<strong>in</strong>gerichtet, um die Teilnahme der<br />

Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ausländer an den öffentlichen Debatten zu<br />

gewährleisten (Wicker 2009: 34). 1970 wurde auf B<strong>und</strong>esebene e<strong>in</strong>e konsultative<br />

Ausländerkommission e<strong>in</strong>gerichtet (Niederberger 2004: 81). Dabei<br />

g<strong>in</strong>gen die Politiker gr<strong>und</strong>sätzlich davon aus, dass die E<strong>in</strong>gliederung der<br />

Migrantenbevölkerung <strong>in</strong> die schweizerische Gesellschaft automatisch erfolgt<br />

<strong>und</strong> zwar durch die Teilnahme am Erwerbsleben <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Schule, sowie<br />

durch die Mitgliedschaft <strong>in</strong> Gewerkschaften, Vere<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Kirchen<br />

(Niederberger 2004).<br />

Die eigentliche Wende fand Ende der 80er Jahre statt, als die Schweiz<br />

beschloss, künftig nur noch die Anwerbung von Fachkräften zu gestatten. Zu<br />

diesem Zeitpunkt wurden die Weichen für die heutige Zulassungspolitik, die<br />

zwischen EU/EFTA <strong>und</strong> Drittstaatenangehörigen <strong>unter</strong>scheidet, gestellt. Die<br />

Vorstellung, dass Angehörige der EU/EFTA-Staaten nur beschränkt<br />

„<strong>in</strong>tegrationsfähig“ seien, während die Bürger<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürger aus<br />

Drittstaaten „gut <strong>in</strong>tegrierbar“ seien, setzte sich zu jenem Zeitpunkt durch<br />

(Wicker 2009: 35). Die Unterscheidung wurde durch kulturelle, religiöse<br />

oder l<strong>in</strong>guistische Argumente legitimiert – je nach Kontext <strong>und</strong> Inhalt der<br />

politischen Debatte. Die Argumente fielen auf fruchtbaren Boden, weil die<br />

<strong>Migration</strong>sströme sich über die Jahre verändert hatten, was dazu führte, dass<br />

vermehrt Gastarbeiter aus Jugoslawien sowie Asylsuchende <strong>in</strong> die Schweiz<br />

gekommen waren. Die Debatte <strong>in</strong> den 80er Jahren ist auch <strong>in</strong>sofern<br />

<strong>in</strong>teressant, als dass sie illustriert, wie eng die Zulassungs- <strong>und</strong> die<br />

<strong>Integration</strong>spolitik seit vielen Jahren mite<strong>in</strong>ander verknüpft s<strong>in</strong>d. Die<br />

Konzipierung e<strong>in</strong>es „Zwei-Kreis“ Modells <strong>in</strong> der Zulassungspolitik wurde<br />

<strong>unter</strong> anderen mit Verweis auf <strong>in</strong>tegrationspolitische Überlegungen<br />

legitimiert (Wicker 2009: 35). Diese diskursive Unterscheidung prägt die<br />

politischen Debatten noch bis heute.<br />

Seit Ende der 80er Jahre wurden <strong>in</strong> den schweizerischen Städten vermehrt<br />

Forderungen nach der Entwicklung des städtischen Raumes gestellt.<br />

<strong>Migration</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>sfragen nahmen <strong>in</strong> diesen Debatten zur<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle e<strong>in</strong> (D'Amato <strong>und</strong> Suter 2010). Die<br />

Forderung nach vermehrtem Engagement im Bereich der <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

wurde vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> des zunehmenden <strong>in</strong>ternationalen Standortwettbewerbs<br />

gestellt, an dem sich auch die Schweizer Städte beteiligten.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist es nicht weiter erstaunlich, dass der Impuls zur<br />

Konzipierung e<strong>in</strong>er <strong>Integration</strong>spolitik dann auch von den schweizerischen<br />

Städten ausg<strong>in</strong>g: Sie engagierten sich <strong>in</strong> den 90er Jahren auf B<strong>und</strong>esebene für<br />

die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>Integration</strong>spolitik. Die schweizerischen Grossstädte,<br />

u.a. auch der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>, verabschiedeten schliesslich <strong>in</strong> der zweiten<br />

30<br />

Hälfte der 90er Jahre <strong>in</strong>tegrationspolitische Leitbilder (vgl. Sancar-Flückiger<br />

1999). 13<br />

Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> bekannte sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Regierungsprogramm 1997–<br />

2001 zur <strong>Integration</strong> als e<strong>in</strong>er wichtigen kantonalen Aufgabe <strong>und</strong> legte als<br />

generelle Zielsetzung fest: „Entwickeln e<strong>in</strong>er <strong>Migration</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>spolitik,<br />

die e<strong>in</strong> friedliches Zusam-menleben von ausländischer <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>heimischer Wohnbevölkerung fördert.“ Zu diesem Zweck wurden Teilziele<br />

zur Koord<strong>in</strong>ation, Regulation, <strong>Integration</strong> <strong>und</strong> zum Gesetzesvollzug<br />

def<strong>in</strong>iert. Mit der Aufgabe, e<strong>in</strong>e umfassende <strong>und</strong> zügige Umsetzung dieser<br />

Zielsetzung zu garantieren, wurde im März 1998 der Delegierte für <strong>Migration</strong>s-<br />

<strong>und</strong> <strong>Integration</strong>sfragen, Thomas Kessler, betraut (Regierungsrat des<br />

Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> 2005b). Im August 1999 verabschiedete die Regierung<br />

als strategische Gr<strong>und</strong>lage das „Leitbild <strong>und</strong> Handlungskonzept zur<br />

<strong>Integration</strong>spolitik des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>“ (Ehret 1999). Dieses noch heute<br />

gültige Gr<strong>und</strong>lagenpapier ist vom Bemühen geprägt, den seit den 70er Jahren<br />

vorherrschenden Defizitäransatz h<strong>in</strong>ter sich zu lassen <strong>und</strong> sich vermehrt am<br />

Potenzial <strong>und</strong> an den Ressourcen der Zugewanderten zu orientieren (Kessler<br />

2005). Aufgr<strong>und</strong> dieses im Leitbild festgeschriebenen Potenzialansatzes galt<br />

das Basler Modell lange als Vorbild für andere Städte im In- <strong>und</strong> Ausland.<br />

Das Leitbild def<strong>in</strong>iert schwerpunktmässig folgende Aufgabenbereiche:<br />

Förderung der Mehrsprachigkeit im schulischen Bereich; ausserschulische<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>stitutionen-übergreifende Begleitung von Jugendlichen bei der<br />

<strong>Integration</strong> <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt; koord<strong>in</strong>ierte Organisation der Erwachsenenbildung;<br />

Öffnung staatlicher Institutionen; Empowerment der<br />

Quartierbevölkerung durch Quartiersekretariate <strong>und</strong> Mediationsprogramme.<br />

Des Weiteren wurde im Leitbild der Anstoss für e<strong>in</strong>e gross angelegte<br />

Öffentlichkeitskampagne der Kantone <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> <strong>und</strong> <strong>Basel</strong>-Landschaft zur<br />

Versachlichung der Diskussion gegeben, die <strong>in</strong> den letzten Jahren auf die<br />

gesamte Nordwestschweiz ausgedehnt wurde. Im Leitbild wurde ebenfalls<br />

auf die Partizipation der Migrantenbevölkerung e<strong>in</strong>gegangen. Insgesamt<br />

beruht die im Leitbild festgehaltene <strong>Integration</strong>spolitik auf e<strong>in</strong>er<br />

Komb<strong>in</strong>ation der spezifischen <strong>Integration</strong>sförderung (z.B. Fach- <strong>und</strong><br />

Informationsstelle für <strong>Integration</strong>sbildung) <strong>und</strong> der <strong>Integration</strong> durch<br />

Regelstrukturen, wobei der Schwerpunkt auf der Letzteren liegt. In den<br />

13 Auf der B<strong>und</strong>esebene dauerte es e<strong>in</strong>e Weile bis das Ziel der <strong>Integration</strong> <strong>in</strong> der<br />

E<strong>in</strong>wanderungspolitik aufgenommen wurde. Die erste Vorlage zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Integration</strong>spolitik, die die Nationale Aktion bekämpfte, wurde 1982 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Volksabstimmung<br />

abgelehnt. Ab 1991 wurde das Ziel der <strong>Integration</strong> zuerst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Bericht <strong>und</strong> später <strong>in</strong> der Legislaturplanung des B<strong>und</strong>es aufgenommen. 1999 schliesslich<br />

fand der <strong>Integration</strong>sartikel Aufnahme im ANAG (für Details vgl. Niederberger<br />

2004).<br />

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