Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...
Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...
Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
In den Interviews wurden diverse Erklärungen vorgebracht, weshalb sich<br />
sowohl die Ges<strong>und</strong>heitsversorgungs<strong>in</strong>stitutionen (Altersheime, Spitex) als<br />
auch die Leistungserbr<strong>in</strong>ger, die für die Ges<strong>und</strong>heitsförderung im Alter<br />
zuständig s<strong>in</strong>d (z.B. Pro Senectute), bisher gegen e<strong>in</strong>e Öffnung gewehrt<br />
haben (Telefon<strong>in</strong>terviews 16.11.2009). Die meisten Interviewpartner führten<br />
das Fehlen e<strong>in</strong>er Öffnung der „Alters<strong>in</strong>stitutionen“ gegenüber der Migrantenbevölkerung<br />
darauf zurück, dass es zurzeit <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> ke<strong>in</strong>e ernstzunehmende<br />
„Alterspolitik“ gibt. Zwar bekennen sich die Politiker<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Politiker theoretisch zu e<strong>in</strong>er solchen Politik (Ges<strong>und</strong>heitsdepartement <strong>Basel</strong>-<br />
<strong>Stadt</strong> 2007b), aber auf der Umsetzungsebene ist bis heute nur sehr wenig<br />
geschehen. 74 Die Kluft zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis wirft die Frage auf, ob<br />
die Politiker tatsächlich <strong>in</strong> die Alterspolitik <strong>in</strong>vestieren wollen. Geht man<br />
davon aus, dass der Wille zur Lancierung e<strong>in</strong>er Alterspolitik fehlt, so versteht<br />
man ohne Weiteres, weshalb die Forderung nach e<strong>in</strong>er transkulturellen<br />
Öffnung bisher weder <strong>in</strong> der Politik noch bei den betroffenen Akteuren auf<br />
Resonanz gestossen ist. Die Zusammenstellung der Stärken <strong>und</strong> Schwächen<br />
bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Tabelle 9 im Anhang 2.<br />
74 http://www.grauepanther.ch/Aktuelles/Berichte/baz_6_10_09_2.html<br />
(konsultiert am 19.04.2010).<br />
150<br />
8 Sicherheit <strong>und</strong> Del<strong>in</strong>quenz<br />
Im alltäglichen Sprachgebrauch werden <strong>unter</strong> dem Stichwort Ausländerkrim<strong>in</strong>alität<br />
zwei <strong>unter</strong>schiedliche Phänomene, nämlich „E<strong>in</strong>wanderung“ <strong>und</strong><br />
„Krim<strong>in</strong>alität“, vermischt. Wie die beiden Begriffe mite<strong>in</strong>ander zusammenhängen,<br />
ist <strong>in</strong> der Forschung umstritten. Auf der e<strong>in</strong>en Seite wird die These<br />
vertreten, dass mehr E<strong>in</strong>wanderung zu mehr Krim<strong>in</strong>alität führt. Auf der<br />
anderen Seite wird argumentiert, dass beispielsweise die Abnahme der<br />
Krim<strong>in</strong>alität <strong>in</strong> den USA auf die Zunahme der E<strong>in</strong>wanderung zurückgeführt<br />
werden kann (Wortley 2009: 349). Die <strong>unter</strong>schiedlichen Schlussfolgerungen,<br />
die Wissenschaftler aus den empirischen Bef<strong>und</strong>en ziehen, deuten<br />
darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> der Literatur über den Zusammenhang zwischen der<br />
Aufenthaltsdauer e<strong>in</strong>er Person <strong>und</strong> der Ausübung krim<strong>in</strong>eller Handlungen<br />
Une<strong>in</strong>igkeit herrscht. Tatsächlich gibt es Studien, die belegen, dass die<br />
Krim<strong>in</strong>alitätsraten der zweiten Ausländergeneration höher s<strong>in</strong>d als die der<br />
ersten (siehe dazu Rumbaut et al. 2006). Dagegen zeigen Studien aus<br />
Schweden (Martens 1997) <strong>und</strong> Deutschland (Enzmann et al. 2004), dass sich<br />
e<strong>in</strong> längerer Aufenthalt positiv auf die Krim<strong>in</strong>alitätsraten auswirkt. Eisner et<br />
al. (2000) kommen zum Schluss, dass die Del<strong>in</strong>quenzbelastung besonders bei<br />
denjenigen Jugendlichen der zweiten Generation hoch ist, die seit ca. zehn<br />
Jahren <strong>in</strong> der Schweiz leben. Sie leiden nämlich am meisten <strong>unter</strong> der anomischen<br />
Spannung zwischen den hohen Erwartungen <strong>und</strong> der ger<strong>in</strong>gen<br />
tatsächlichen E<strong>in</strong>lösung (Haenni Hoti 2005: 28).<br />
Trotz dieser Debatten zeigen die Krim<strong>in</strong>alitätsstatistiken <strong>in</strong> den<br />
E<strong>in</strong>wanderungsstaaten, dass die Krim<strong>in</strong>alitätsraten bei der zugewanderten<br />
Bevölkerung höher s<strong>in</strong>d als bei den E<strong>in</strong>heimischen. Diese Unterschiede<br />
zwischen den beiden Referenzbevölkerungen lassen sich durch zwei Ansätze<br />
erklären: Zum e<strong>in</strong>en gibt es Studien, die die <strong>in</strong> den Aufnahmestaaten<br />
anzutreffenden „krim<strong>in</strong>alitätsfördernden“ Bed<strong>in</strong>gungen verantwortlich<br />
machen. Daneben gibt es Ansätze, die die kulturellen Unterschiede <strong>in</strong> den<br />
Vordergr<strong>und</strong> stellen (Achermann <strong>und</strong> Schönenberger 2009: 19). Unter den<br />
krim<strong>in</strong>alitätsfördernden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wird die Chancenungleichheit<br />
<strong>in</strong> der Aufnahmegesellschaft aufgeführt. Auf diese soziale Benachteiligung<br />
reagieren benachteiligte Gruppen <strong>unter</strong> Umständen mit krim<strong>in</strong>ellem Verhalten<br />
(Küchenhoff et al. 2005). Die kulturalistischen Ansätze gehen von der<br />
Annahme aus, dass krim<strong>in</strong>elles Verhalten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Migrantengruppen durch<br />
kulturelle Variablen erklärt werden kann (Achermann <strong>und</strong> Schönenberger<br />
2009: 19). Diese Befürworter des kulturalistischen Ansatzes weisen<br />
allerd<strong>in</strong>gs auch darauf h<strong>in</strong>, dass die sozialen Faktoren (Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>und</strong><br />
Benachteiligung) ebenfalls e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />
In diesem Kapitel wird zuerst e<strong>in</strong> Blick auf die Krim<strong>in</strong>alitätsstatistiken<br />
geworfen. Danach werden e<strong>in</strong>ige basel-städtische Massnahmen zur Bekäm-<br />
151