Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...
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Verfassungsrat mehrere Male die Frage der E<strong>in</strong>führung des<br />
Ausländerstimmrechts zur Diskussion gestellt. Der Rat entschied sich<br />
schliesslich dagegen, weil er befürchtete, dass das Ausländerstimmrecht zur<br />
Ablehnung der Verfassung führen könnte. Nach dem Rückzug der zweiten<br />
Initiative lancierte 2007 e<strong>in</strong> Komitee, das sich sowohl aus politisch<br />
l<strong>in</strong>ksorientierten als auch bürgerlichen E<strong>in</strong>zelpersonen zusammensetzte, den<br />
dritten Anlauf zur E<strong>in</strong>führung politischer Partizipationsrechte. Am 6. März<br />
2009 wurden die Unterschriften an die Staatskanzlei übergeben, <strong>und</strong> im<br />
September 2009 beschloss der Grosse Rat, dem Regierungsrat die<br />
Volks<strong>in</strong>itiative zum Ausländerstimmrecht zur Berichterstattung zu<br />
überweisen. Dieser gab am 24. März 2010 bekannt, dass er zwar gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
die kantonale Initiative "Stimmrecht für Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Migranten" <strong>unter</strong>stützt, aber dass se<strong>in</strong> Gegenvorschlag sich auf die E<strong>in</strong>führung<br />
des passiven Wahlrechts beschränkt.<br />
Um der vom Stimmrecht ausgeschlossenen Migrantenbevölkerung „e<strong>in</strong>e<br />
Stimme zu geben“, wurden diverse beratende Gremien e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> denen<br />
Vertreter der Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ausländer mitarbeiten. Das wichtigste<br />
Gremium ist die basel-städtische <strong>Migration</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>skommission,<br />
die den Auftrag hat, der gesamten <strong>Integration</strong>spolitik kritische <strong>und</strong> <strong>in</strong>novative<br />
Impulse zu geben (Eidgenössische Ausländerkommission, 2007). Sie berät<br />
den Regierungsrat <strong>in</strong> der <strong>Migration</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>spolitik <strong>und</strong> kann auch<br />
eigene Vorschläge <strong>und</strong> Anregungen <strong>in</strong> die Regierung <strong>und</strong> die Verwaltung<br />
e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Über den Regierungspräsidenten Guy Mor<strong>in</strong>, der der<br />
Kommission vorsitzt, steht die Kommission <strong>in</strong> engem Kontakt zur<br />
Verwaltung <strong>und</strong> zur Regierung. Diese Kommission setzt sich aus zehn<br />
Personen zusammen, die grösstenteils e<strong>in</strong>en <strong>Migration</strong>sh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> haben,<br />
wobei bei der Auswahl der Mitglieder auf e<strong>in</strong>e geschlechtliche, altersmässige,<br />
religiöse <strong>und</strong> städtegeographische Vielfalt geachtet wird. 39 Betreffen<br />
neue Vorlagen die Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ausländer direkt, so werden die<br />
Migrantenvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> gebeten, ihre Me<strong>in</strong>ung im Rahmen der<br />
Vernehmlassung zu äussern.<br />
Mit dem „R<strong>und</strong>en Tisch der Religionen beider <strong>Basel</strong>“ wurde im Jahre 2007<br />
e<strong>in</strong> Gremium gegründet, <strong>in</strong> dem sich Vertreter der verschiedenen Religionen<br />
(Christen, Juden, Muslime etc.) mit Fragen ause<strong>in</strong>andersetzen, die e<strong>in</strong>e<br />
39 In <strong>Basel</strong> wurde auf die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Ausländerparlaments bzw. e<strong>in</strong>es repräsentativen<br />
Gremiums verzichtet, weil man nicht gewisse Personen <strong>und</strong> Migrantengruppen<br />
bevorzugen wollte (Interview, 29). In der Kommission sitzen derweil neben dem<br />
Regierungspräsidenten Guy Mor<strong>in</strong> He<strong>in</strong>z Hermann Baumgarten, Mary Denger<br />
Iddrisu, Kathy Hartmann-Campbell, Andreas Nidecker, Daniel Ordàs, Serpil Sah<strong>in</strong>,<br />
Nora Refaeil, Nicola St<strong>in</strong>gel<strong>in</strong>, Walter F. Studer <strong>und</strong> Géza Teleki.<br />
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<strong>in</strong>terreligiöse Dimension aufweisen. Auch die für die Schulen des Kantons<br />
<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> erarbeiteten Empfehlungen zur Handhabung religiöser Fragen<br />
(Kantonales Erziehungsdepartement 2007) wurden vor ihrer Publikation dem<br />
R<strong>und</strong>en Tisch der Religionen zur Diskussion vorgelegt. Dasselbe geschah <strong>in</strong><br />
<strong>Basel</strong>-Land. Bei Problemen, die nur e<strong>in</strong>e Konfession betreffen, bevorzugen<br />
die Behörden allerd<strong>in</strong>gs den Dialog mit den direkt Betroffenen.<br />
Die Vertreter der Basler Muslimkommission haben sich <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
mehrere Male für die Ausübung der religiösen Rechte der <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> lebenden<br />
Muslime engagiert. Im Jahre 2000 setzten sie sich zum Beispiel für die<br />
Anlage e<strong>in</strong>es islamischen Gräberfelds auf dem kantonalen Friedhof Hörnli<br />
e<strong>in</strong> <strong>und</strong> fanden auf diese Weise e<strong>in</strong>e pragmatische Lösung für die Frage der<br />
Bestattung der <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> lebenden Muslime. Die Basler Muslim Kommission<br />
kümmerte sich ebenfalls um die Beschaffung von rituell re<strong>in</strong>em Fleisch<br />
(halal) (Roost Vischer <strong>und</strong> Kessler 2005). Zwar ist diese religiöse Gruppe<br />
<strong>in</strong>sgesamt gesehen <strong>in</strong> der politischen Debatte wenig präsent, aber <strong>in</strong> den<br />
Fragen, die sie direkt betreffen, sucht sie den Dialog mit den Behörden.<br />
Bei der Gestaltung des öffentlichen Raums <strong>und</strong> bei Projekten der<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung werden <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> meistens alle Quartierbewohner –<br />
ungeachtet ihrer Nationalität – <strong>in</strong> die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. E<strong>in</strong><br />
Beispiel dafür ist die Neugestaltung des Horburg Parks. Als die<br />
<strong>Stadt</strong>gärtnerei entschied, diesen Park neu zu gestalten, wurden ausländische<br />
Jugendliche bei der Planung der Skater-Anlagen mit h<strong>in</strong>zugezogen, denn es<br />
war allen Beteiligten klar, dass die zukünftigen Nutzer am besten wissen, wie<br />
e<strong>in</strong>e solche Anlage benutzerfre<strong>und</strong>lich gestaltet werden kann.<br />
Im Altersleitbild des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> ist der Gr<strong>und</strong>satz verankert, dass<br />
„Migranten-Organisationen über die vielfältigen Angebote <strong>und</strong><br />
Tätigkeitsfelder im Seniorenbereich <strong>in</strong>formiert werden (Ges<strong>und</strong>heitsdepartement<br />
<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> 2007b)“. Das Leitbild erkennt damit <strong>in</strong>direkt an,<br />
dass es e<strong>in</strong>e Gruppe von Senioren gibt, die durch die bestehenden Beratungs-<br />
<strong>und</strong> Informationsangebote nur ungenügend erreicht wird. Die Basler<br />
Seniorenkonferenz wurde daher damit beauftragt, <strong>in</strong> mehreren<br />
Arbeitsgruppen die Umsetzung des Altersleitbildes <strong>in</strong> der Region <strong>Basel</strong> zu<br />
realisieren, wobei die Organisation Pro Migrante die Interessen der<br />
betroffenen Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten vertreten sollte. Diese Möglichkeit<br />
der E<strong>in</strong>flussnahme wurde <strong>in</strong> den Interviews begrüsst (Interview 11).<br />
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