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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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Der Jugendges<strong>und</strong>heitsbericht des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> aus dem Jahr 2008<br />

zeigt auf, dass ca. e<strong>in</strong> Viertel der Jugendlichen übergewichtig ist. Laut den<br />

schulärztlichen Zahlen ist der Anteil der übergewichtigen Jugendlichen bei<br />

den Ausländer<strong>in</strong>nen (30%) <strong>und</strong> Ausländern (34%) höher als bei den<br />

Schweizer<strong>in</strong>nen (22%) <strong>und</strong> Schweizern (23%) (Ges<strong>und</strong>heitsdepartement<br />

<strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> 2008: 7). Für die Ges<strong>und</strong>heitsfachleute gilt e<strong>in</strong> <strong>Migration</strong>sh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />

daher als Risikofaktor für Übergewicht. Das vergleichend<br />

angelegte Gewichtsmonitor<strong>in</strong>g der schulärztlichen Dienste der Städte <strong>Basel</strong>,<br />

Bern <strong>und</strong> Zürich br<strong>in</strong>gt zum Vorsche<strong>in</strong>, dass Jugendliche aus Ost- <strong>und</strong><br />

Südeuropa <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>en höheren Body Mass Index aufweisen als K<strong>in</strong>der<br />

aus Nord- <strong>und</strong> Westeuropa (Ges<strong>und</strong>heitsdepartement <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> 2008: 19;<br />

Stamm et al. 2009).<br />

Die Unterschiede zwischen der Migrantenbevölkerung <strong>und</strong> den Schweizer<strong>in</strong>nen<br />

bzw. Schweizern s<strong>in</strong>d im Erwachsenenalter besonders auffällig. R<strong>und</strong><br />

die Hälfte der Schweizer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizer bzw. 57% der Migrant<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Migranten aus Österreich, Frankreich <strong>und</strong> Deutschland s<strong>in</strong>d<br />

normalgewichtig. In den restlichen Nationalitätengruppen s<strong>in</strong>d die normalgewichtigen<br />

Personen dagegen <strong>in</strong> der M<strong>in</strong>derheit. Unter den Migranten aus<br />

Italien (54%), der Türkei <strong>und</strong> dem ehemaligen Jugoslawien (je 65%) f<strong>in</strong>den<br />

sich besonders viele Personen mit e<strong>in</strong>em Body Mass Index über 25<br />

(Gabad<strong>in</strong>ho et al. 2007: 72). Insgesamt nimmt das Körpergewicht mit dem<br />

Alter zu, wobei die Anzahl der übergewichtigen Personen <strong>in</strong> der Altersgruppe<br />

der 51 bis 60-Jährigen besonders hoch ist. Interessant ist vor allem<br />

der Unterschied zwischen den Geschlechtern: Bei den Frauen geht e<strong>in</strong><br />

höherer sozioökonomischer Status mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Körpergewicht<br />

e<strong>in</strong>her, während bei den Männern dieser Zusammenhang weniger stark zur<br />

Geltung kommt.<br />

Die basel-städtische Auswertung der Ges<strong>und</strong>heitsbefragung weist darauf h<strong>in</strong>,<br />

dass Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten weniger oft e<strong>in</strong>en Arzt aufsuchen, um<br />

Kontroll<strong>unter</strong>suchungen durchzuführen. Dieser Unterschied im präventiven<br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhalten erklärt, weshalb mehr Schweizer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizer<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres e<strong>in</strong>en Arzt aufsuchen als Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Ausländer. Besonders ausgeprägt ist der Unterschied beim Zahnarztbesuch.<br />

Die Zahlen belegen nämlich, dass jährlich signifikant weniger Migrant<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Migranten e<strong>in</strong>en Zahnarzt aufsuchen als Schweizer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizer<br />

(Zumbrunn et al. 2002: 94 ff.). Was dagegen den Arztbesuch zu „kurativen“<br />

Zwecken angeht, lässt sich der Statistik entnehmen, dass die Migrantenbevölkerung<br />

öfter e<strong>in</strong>en Arzt <strong>in</strong> Anspruch nimmt als die Schweizer Referenzbevölkerung<br />

(Zumbrunn et al. 2002: 92).<br />

Das GMM br<strong>in</strong>gt ke<strong>in</strong>e grossen Unterschiede beim Behandlungsverhalten<br />

zutage, da mit Ausnahme der türkischen Frauen die Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Migranten e<strong>in</strong> ähnliches Behandlungsverhalten aufweisen wie die Schweizer-<br />

142<br />

<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizer (Gabad<strong>in</strong>ho et al. 2007: 80). Be<strong>in</strong>ahe 90% der <strong>in</strong> der<br />

Schweiz wohnhaften Bevölkerung hat e<strong>in</strong>en Hausarzt, wobei der Anteil bei<br />

den Deutschen, Franzosen <strong>und</strong> Österreichern niedriger ist als bei der schweizerischen<br />

Referenzbevölkerung. Die Anteile an Personen mit Hausarzt s<strong>in</strong>d<br />

bei den Türken, Sri Lankern <strong>und</strong> Portugiesen besonders hoch (Gabad<strong>in</strong>ho et<br />

al. 2007: 82-83). Das GMM verweist ausserdem darauf, dass Ausländer<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Ausländer, die nicht aus den Nachbarstaaten der Schweiz stammen,<br />

häufiger ambulante Dienstleistungen im Krankenhaus <strong>in</strong> Anspruch nehmen.<br />

Bei Asylbewerber<strong>in</strong>nen –<strong>und</strong> bewerbern aus Sri Lanka <strong>und</strong> Albanien, bei<br />

Türk<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Türken sowie bei Männern aus Sri Lanka <strong>und</strong> Portugal ist die<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er ambulanten Behandlung im Spital besonders hoch<br />

(Gabad<strong>in</strong>ho et al. 2007: 84).<br />

E<strong>in</strong>e Auswertung der GMM <strong>und</strong> der Jugendbefragungsdaten zum<br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhalten der Migrantenbevölkerung zeigt e<strong>in</strong>drücklich auf, dass<br />

<strong>Migration</strong> sowohl e<strong>in</strong> Risikofaktor als auch e<strong>in</strong> Schutzfaktor se<strong>in</strong> kann.<br />

E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d Übergewicht <strong>und</strong> mangelnde Bewegung <strong>in</strong> der<br />

Migrantenbevölkerung weit verbreitet; andererseits s<strong>in</strong>d ges<strong>und</strong>heitsschädigende<br />

Praktiken – <strong>in</strong>sbesondere Alkohol <strong>und</strong> Drogenkonsum –<br />

<strong>in</strong>sgesamt weniger ausgeprägt als <strong>in</strong> der Referenzbevölkerung.<br />

7.2 Massnahmen im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

7.2.1 Ges<strong>und</strong>heitsversorgung<br />

Seit 1987 arbeiten am Universitätsspital <strong>Basel</strong> <strong>in</strong>terkulturelle Mediator<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Mediatoren. Beispielsweise stehen derzeit Dolmetscher<strong>in</strong>nen für drei<br />

Sprachen – Türkisch, Albanisch <strong>und</strong> Tamilisch – an der Frauenkl<strong>in</strong>ik<br />

regelmässig zu bestimmten Sprechzeiten zur Verfügung. Falls e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Übersetzer<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e andere Sprache benötigt wird, wendet sich<br />

die Frauenkl<strong>in</strong>ik an das HEKS. Die Kosten für den Dolmetscherdienst<br />

werden vom Universitätsspital bzw. von der Frauenkl<strong>in</strong>ik getragen.<br />

Durch die Institutionalisierung e<strong>in</strong>es Dolmetscherdienstes kann e<strong>in</strong> grosser<br />

Beitrag zum Abbau der Zugangsh<strong>in</strong>dernisse im Ges<strong>und</strong>heitswesen geleistet<br />

werden. Da die Arbeit mit Dolmetscher<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Dolmetschern das<br />

mediz<strong>in</strong>ische Personal vor e<strong>in</strong>e Reihe von Herausforderungen stellt (vgl.<br />

Bischoff et al. 2008), muss es für den Dialog zu „dritt“ geschult werden. Im<br />

Rahmen des Mediz<strong>in</strong>studiums an der Universität <strong>Basel</strong> wird heute e<strong>in</strong><br />

Gesprächsführungskurs angeboten, der auf die ärztliche Konsultation im<br />

Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Dolmetschers bzw. e<strong>in</strong>er Dolmetscher<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geht. Laut der<br />

Interviewpartner aus dem Ges<strong>und</strong>heitssektor wurde <strong>in</strong> den letzten Jahren das<br />

Angebot an Kursen <strong>und</strong> Weiterbildungsveranstaltungen zur „transkulturellen<br />

Kompetenz“ <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> ausgebaut (Interviews 11, 27).<br />

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