Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...
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Diese sowohl <strong>in</strong> ihren Geme<strong>in</strong>schaften als auch <strong>in</strong> der schweizerischen<br />
Gesellschaft gut vernetzten <strong>in</strong>terkulturellen Mediator<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mediatoren –<br />
dar<strong>unter</strong> oft Frauen – s<strong>in</strong>d auch für die Rekrutierung der Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> Teilnehmer <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er spezifischen Geme<strong>in</strong>schaft verantwortlich.<br />
Aufgr<strong>und</strong>dessen s<strong>in</strong>d sie bestens darauf vorbereitet, als Vermittler bzw.<br />
Vermittler<strong>in</strong>nen zwischen den beiden „Kulturen“ zu agieren. Anzumerken<br />
wäre noch, dass viele der <strong>in</strong> den <strong>Integration</strong>sprojekten e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Moderator<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Moderatoren an der Ausbildung „Interkulturelles<br />
Vermitteln“ des Hilfswerks Evangelischer Kirchen Schweiz teilgenommen<br />
haben (Interview 12).<br />
4.1.2 Defizit-orientierte <strong>Integration</strong>sförderangebote<br />
Bei der Konzeption der oben genannten Projekte wurde davon ausgegangen,<br />
dass <strong>in</strong> der Migrantenbevölkerung e<strong>in</strong> Potenzial vorhanden ist, das durch<br />
spezifische Vernetzungsangebote aktiviert werden kann. Im Unterschied dazu<br />
gibt es e<strong>in</strong>e Reihe von Förderangeboten, die von e<strong>in</strong>em ganz anderen Ansatz<br />
ausgehen <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten Hilfestellungen zur Überw<strong>in</strong>dung<br />
ihrer „Defizite“ anbieten. 27 Diese Form der <strong>Integration</strong>sförderung äussert sich<br />
z.B. <strong>in</strong> der staatlichen Subventionierung diverser Sprach-, Alphabetisierungs-<br />
<strong>und</strong> <strong>Integration</strong>skurse, <strong>in</strong> denen die Kursbesucher mit der Sprache, dem<br />
politischen System <strong>und</strong> den Gepflogenheiten der Schweiz bekannt gemacht<br />
werden. Diese Kurse werden vor allem <strong>in</strong> den staatlichen Regelstrukturen<br />
Bildung, Arbeit <strong>und</strong> Soziales angeboten, während diejenigen, für die diese<br />
Strukturen nicht <strong>in</strong> Frage kommen, von dem Kursangebot privater Anbieter<br />
profitieren können. Die Angebote der Regelstrukturen richten sich<br />
<strong>in</strong>sbesondere an Neuzugezogene, Eltern <strong>und</strong> ihre K<strong>in</strong>der, Jugendliche, Frauen<br />
<strong>und</strong> Mädchen (Hüttner <strong>und</strong> Guggisberg 2005: 29).<br />
Wie aus e<strong>in</strong>er Erhebung des Büros BASS „Deutsch als Zweitsprache <strong>in</strong> der<br />
Region <strong>Basel</strong>“ hervorgeht, verfügt die der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> über e<strong>in</strong><br />
umfangreiches Kursangebot <strong>und</strong> zwar sowohl im subventionieren als auch im<br />
privat f<strong>in</strong>anzierten Sektor (Hüttner <strong>und</strong> Guggisberg 2005). Die e<strong>in</strong>zige<br />
Zielgruppe, für die noch e<strong>in</strong> spezifisches Angebot fehlt, s<strong>in</strong>d die Angehörigen<br />
der zweiten Ausländergeneration (Hüttner <strong>und</strong> Guggisberg 2005: 31). Zu<br />
e<strong>in</strong>em ganz anderen Ergebnis kommt dagegen das Konzept zur <strong>in</strong>tegrativen<br />
Sprachförderung von Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>Migration</strong> im Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong>, <strong>in</strong><br />
dem festgestellt wird, „dass e<strong>in</strong>e lückenhafte Abdeckung des Bedarfs existiert<br />
27 Die im politischen Diskurs aufgezählten Defizite der Migrantenbevölkerung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere<br />
mangelnde Deutschkenntnisse oder ungenügende Kenntnisse der schweizerischen<br />
Gegebenheiten.<br />
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<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e zu verzettelnde Aufnahme von Bedürfnissen der Kursbesuchenden“<br />
(Bollhalder <strong>und</strong> Tschui 2009).<br />
Bei e<strong>in</strong>er Analyse des Kursangebots ist das breit gefächerte Angebot der<br />
Kurse auffällig: Die kommerziellen Betreiber bieten vor allem Deutschkurse<br />
für Fortgeschrittene zu Marktpreisen an. Das Angebot der vom Kanton (teil-)<br />
subventionierten Leistungserbr<strong>in</strong>ger 28 richtet sich dagegen vor allem an<br />
diejenigen, die sich Gr<strong>und</strong>kenntnisse <strong>in</strong> der deutschen Sprache aneignen<br />
möchten (Niveau A1 bis B1 gemäss dem Europäischen Sprachportfolio).<br />
Dies betrifft oft Frauen aus e<strong>in</strong>em „bildungsarmen Umfeld“. Die meisten<br />
Kursteilnehmenden tragen e<strong>in</strong>en Teil der Kurskosten selber, wobei der selbstf<strong>in</strong>anzierte<br />
Anteil variiert (Interview 7). Der Hauptgr<strong>und</strong>, warum<br />
Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten nicht an diesen Deutschkursen teilnehmen, liegt<br />
an den für diesen Personenkreis „hohen Kosten“. Teilweise s<strong>in</strong>d aber auch<br />
die Tageszeiten, zu denen die Kurse angeboten werden oder die hohe<br />
Belastung durch Familie, Arbeit etc. schuld daran, dass das Angebot nicht<br />
von allen <strong>in</strong> Anspruch genommen wird (Macmillan 2009) (auch Interviews<br />
21, 28).<br />
Daneben werden Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten, die nur schlecht lesen <strong>und</strong><br />
schreiben können, spezielle Alphabetisierungskurse angeboten, <strong>in</strong> denen<br />
<strong>in</strong>sbesondere der Erwerb mündlicher Sprachkenntnisse im Vordergr<strong>und</strong> steht.<br />
Da die Zielgruppenerreichbarkeit bei den „bildungsungewohnten“ Frauen e<strong>in</strong><br />
Problem darstellt, wurde das Angebot an „aufsuchenden Kursen“ – also<br />
kostengünstige Kurse, die an Orten stattf<strong>in</strong>den, an denen sich die Zielgruppen<br />
aufhalten – ausgebaut. Beispiele dafür s<strong>in</strong>d der Kurs Lernen im<br />
(Schützenmatt)-Park (K5), der <strong>Integration</strong>skurs H<strong>in</strong>terhof 156 oder „Ich lerne<br />
Deutsch fürs K<strong>in</strong>d“. Gute Erfolge bei der Rekrutierung neuer Kursteilnehmer<br />
<strong>und</strong> Kursteilnehmer<strong>in</strong>nen erzielen auch „Deutsch plus“ oder Kombi-Kurse, <strong>in</strong><br />
denen der Spracherwerb mit e<strong>in</strong>er anderen Aktivität komb<strong>in</strong>iert wird. So<br />
verb<strong>in</strong>det der „Deutschkurs im Nähatelier“ das Erlernen der deutschen<br />
Sprache mit Nähen <strong>und</strong> im Kurs „Deutsch kickt gut“ wird Deutsch beim<br />
Fussballspielen gelernt. Mit diesen niederschwelligen Angeboten versuchen<br />
die Kursanbieter, Hemmungen <strong>und</strong> Ängste der Teilnehmenden abzubauen<br />
<strong>und</strong> hoffen, die Kursteilnehmer anschliessend zum Besuch e<strong>in</strong>es Regelkurses<br />
motivieren zu können.<br />
In den <strong>Integration</strong>skursen werden die Teilnehmer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Teilnehmer mit<br />
den Lebensumständen <strong>in</strong> der Schweiz vertraut gemacht. Sie erhalten e<strong>in</strong>en<br />
Überblick über die Funktionsweise der Institutionen <strong>und</strong> über die wichtigsten<br />
28 Die Liste kann auf www.deutsch-<strong>in</strong>tegration.bs.ch h<strong>in</strong><strong>unter</strong>geladen werden<br />
(04.03.2010).<br />
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