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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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defizit besteht beispielsweise dann, wenn e<strong>in</strong>e Person der deutschen Sprache<br />

nicht mächtig ist <strong>und</strong> deshalb ihren Erziehungspflichten nicht nachkommen<br />

kann (Bryner 2008: 5). Weitere Kriterien s<strong>in</strong>d z.B. längere Sozialhilfeabhängigkeit,<br />

f<strong>in</strong>anzielle Abhängigkeit, Missachtung der schweizerischen<br />

Rechtsordnung, Nicht-Wahrnehmung der Erziehungspflicht zum Nachteil des<br />

K<strong>in</strong>deswohls, soziale Isolation oder Nichtwahrnehmen des Schutzes <strong>und</strong> der<br />

Förderung von Jugendlichen (Bryner 2008: 6). Von diesen Kriterien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

der Praxis vor allem Frauen aus Drittstaaten betroffen, mit denen dann auch<br />

die meisten <strong>Integration</strong>svere<strong>in</strong>barungen abgeschlossen wurden (Tov et al.<br />

2010). Die Diskussion über die Zielgruppe der IntV wird <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> kontrovers<br />

geführt, denn viele stören sich an der de facto „Besserstellung“ der<br />

wohlhabenden Mitarbeiter der Pharma<strong>in</strong>dustrie <strong>und</strong> der Universität bei der<br />

Umsetzung des <strong>Integration</strong>sgesetzes (z.B. Interview 6).<br />

In e<strong>in</strong>igen Kantonen, z.B. im Kanton Luzern, werden IntV vorwiegend mit<br />

Neuzugezogenen abgeschlossen, e<strong>in</strong>e Praxis, die auch der B<strong>und</strong>esrat <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em letzten Bericht zur Weiterentwicklung der <strong>Integration</strong>spolitik<br />

empfiehlt (Schweizerischer B<strong>und</strong>esrat 2010). In <strong>Basel</strong> dagegen liegt der<br />

Schwerpunkt auf den schon seit längerer Zeit <strong>in</strong> der Schweiz ansässigen<br />

Personen, die noch Verständigungsschwierigkeiten haben. Für das Auff<strong>in</strong>den<br />

der Personengruppe, die von diesen <strong>Integration</strong>sdefiziten betroffen ist, ist das<br />

<strong>Migration</strong>samt auf die Meldung durch die Polizei, die Sozialhilfe, die<br />

Rektorate <strong>und</strong> die Mitarbeitenden <strong>in</strong> den Arbeitsämtern angewiesen. Denn<br />

erst wenn dem <strong>Migration</strong>samt die <strong>Integration</strong>sdefizite gemeldet werden, kann<br />

dieses mit den betroffenen Personen <strong>in</strong> Kontakt treten <strong>und</strong> sie zu e<strong>in</strong>em<br />

Gespräch vorladen. In diesem Beratungsgespräch klärt das <strong>Migration</strong>samt<br />

dann die betroffenen Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten über den Inhalt <strong>und</strong> die<br />

Konsequenzen e<strong>in</strong>er IntV auf <strong>und</strong> setzt die Unterzeichnung auf.<br />

Im Januar 2010 forderten die bürgerlichen Parteien <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

konzertierten Aktion e<strong>in</strong>e Verschärfung der <strong>Integration</strong>svere<strong>in</strong>barungen.<br />

Damit wollten sie erreichen, dass „die IntV breit e<strong>in</strong>gesetzt“ <strong>und</strong> mit<br />

Konsequenzen verknüpft würden. Des Weiteren forderten sie, dass so weit<br />

wie möglich klar fest gelegte Bed<strong>in</strong>gungen für die Erteilung <strong>und</strong><br />

Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen gestellt würden. 29 In der<br />

ursprünglichen Fassung der Motion wurde gefordert, dass <strong>Integration</strong>svere<strong>in</strong>barungen<br />

mit allen Zugewanderten abgeschlossen werden sollten,<br />

wobei Sozialhilfeempfängern mit der Kürzung der Leistungen gedroht<br />

wurde, falls sie die IntV nicht <strong>unter</strong>zeichnen sollten. Davon ausgenommen<br />

werden sollten nur Personen mit e<strong>in</strong>er befristeten Aufenthaltsgenehmigung<br />

29 http://www.bs.grunliberale.ch/UserFiles/File/medienmitteilungen/<strong>in</strong>tegrationspolitik.pdf<br />

(konsultiert am 13.04.2010).<br />

66<br />

(Lehre, Forschung, Erwerbstätigkeit). Die endgültige Form des am 12.<br />

Februar 2010 e<strong>in</strong>gereichten bürgerlichen Vorstosses be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e<br />

zusätzliche „Pharmaklausel“. Diese Klausel sieht vor, dass „bei<br />

Zugewanderten mit guten Sprachkenntnissen, guter Ausbildung <strong>und</strong><br />

beruflicher Stellung sowie <strong>in</strong> guten wirtschaftlichen Verhältnissen e<strong>in</strong>e<br />

Ausnahmeregelung vorzusehen ist“. 30 Diese Änderung war notwendig<br />

gewesen, weil der ursprüngliche Vorschlag bei den oben genannten Gruppen<br />

auf heftige Kritik gestossen war. Die Motion hätte laut der SP dazu geführt,<br />

dass „H<strong>und</strong>erte, wenn nicht Tausende hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung von der neuen Regelung betroffen wären.“ 31<br />

Auf der Sitzung des Grossen Rates vom 13. April 2010 wurden die Vorschläge<br />

zur Verschärfung der IntV abgelehnt, da e<strong>in</strong>ige Politiker aus den<br />

bürgerlichen Reihen sich der Entscheidung ihrer Parteien widersetzten <strong>und</strong><br />

gegen die Motion stimmten. 32<br />

4.3 Transkulturelle Öffnung der Verwaltung<br />

In Deutschland wurde bereits <strong>in</strong> den 80er Jahren die Öffnung der<br />

Verwaltungsstellen gefordert. Vor allem Mitarbeiter aus dem Sozialbereich<br />

<strong>und</strong> dem Bildungswesen kritisierten, dass Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten<br />

häufig als „defizitäre <strong>und</strong> hilfsbedürftige“ Menschen dargestellt würden.<br />

Auch die oft nicht wirklich zu e<strong>in</strong>er <strong>Integration</strong> beitragenden speziellen<br />

Angebote für Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ausländer wurden bemängelt (Mosimann<br />

2008: 4). In diesem Zusammenhang wurde die Forderung laut, dass die<br />

bestehenden Institutionen <strong>und</strong> Regelstrukturen befähigt werden sollten,<br />

besser auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Klient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Klienten<br />

e<strong>in</strong>zugehen. Diese Forderung nach e<strong>in</strong>er transkulturellen Öffnung g<strong>in</strong>g von<br />

der Annahme aus, dass die Institutionen e<strong>in</strong>erseits nicht allen Bevölkerungsgruppen<br />

gleich offen stehen, <strong>und</strong> dass andererseits Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Migranten sich oft scheuen, sich mit ihren Fragen <strong>und</strong> Problemen an die<br />

Behörden zu wenden. Die Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten führen dies auf<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung, Sprachbarrieren <strong>und</strong> fehlende Informationen zurück. Die<br />

Mitarbeiter <strong>in</strong> den Behörden h<strong>in</strong>gegen hegen Vorurteile gegenüber ihrer<br />

ausländischen Klientel, s<strong>in</strong>d verunsichert oder überfordert: Es fehlt ihnen vor<br />

allem an <strong>in</strong>terkulturellen Kommunikationskompetenzen (Mosimann 2008: 5).<br />

Zum Abbau dieser Probleme wurde <strong>in</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> zu zwei Massnahmen<br />

30 http://www.bs.grunliberale.ch/UserFiles/File/medienmitteilungen/mm_<strong>in</strong>tegrationspolitik_vorstoesse_e<strong>in</strong>gereicht.pdf<br />

(konsultiert am 13.04.2010).<br />

31 Siehe BAZ-Artikel vom 12.02.2010: Bürgerliche erf<strong>in</strong>den Pharma-Klausel.<br />

32 Siehe BAZ-Artikel vom 14.04.2010: Dreifaches Ne<strong>in</strong> zur schärferen <strong>Integration</strong>s-<br />

politik.<br />

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