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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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„Treffs“ unbed<strong>in</strong>gt weiter zu <strong>unter</strong>stützen, da sie e<strong>in</strong>e wichtige Lücke im<br />

<strong>Integration</strong>sangebot schliessen.<br />

9.3.2 Schwächen<br />

Doch riefen die ehrgeizigen Pläne im Bereich der <strong>Stadt</strong>entwicklung bei<br />

e<strong>in</strong>igen Expert<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Interviewpartner<strong>in</strong>nen auch Ängste hervor, die von<br />

e<strong>in</strong>em der Beteiligten als Angst vor der zunehmenden „Ghettoisierung“ im<br />

Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> beschrieben wurde (Interview 6). Mit dem Ausdruck<br />

Ghettoisierung wird auf die Befürchtung h<strong>in</strong>gewiesen, dass die räumliche<br />

Segregation <strong>in</strong> den nächsten Jahren weiter zunehmen könnte. Denn die räumliche<br />

Auftrennung der <strong>Stadt</strong> nach dem Kriterium der „sozialen Schichtzugehörigkeit“<br />

<strong>unter</strong>gräbt laut e<strong>in</strong>iger Experten die Bemühungen im<br />

<strong>Integration</strong>sbereich (Interview 6). Wenn nämlich beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Quartierkrippe oder e<strong>in</strong>er Spielgruppe über 90% der K<strong>in</strong>der fremdsprachig<br />

s<strong>in</strong>d, steht die Sprachförderung vor grossen Herausforderungen (Interview<br />

18).<br />

Ängste wurden auch im Zusammenhang mit den Aufwertungsarbeiten im<br />

öffentlichen Raum geäussert, denn es wird befürchtet, dass diese Arbeiten zu<br />

Lasten von bestimmten Bevölkerungsgruppen gehen können. Konkret besteht<br />

die Angst, dass z.B. Jugendliche im Rahmen solcher Aktivitäten aus dem<br />

öffentlichen Raum vertrieben werden (Interview 22). Das Kasernenareal<br />

beispielsweise, für das viele kulturelle Umnutzungspläne bestehen, war<br />

bisher e<strong>in</strong> beliebter Treffpunkt für junge Leute. Diese könnten sich bei e<strong>in</strong>em<br />

weiteren Ausbau des Kulturangebots nicht mehr <strong>in</strong> ihrem gewohnten Umfeld<br />

aufhalten. Des Weiteren wird argumentiert, dass der Bau teurer Wohnung zu<br />

Lasten des günstigen Wohnraums geht, <strong>und</strong> dass es <strong>in</strong> der Folge für sozial<br />

Benachteiligte schwieriger werden könnte, günstige Wohnungen zu f<strong>in</strong>den<br />

(Dubach et al. 2010).<br />

Die meisten Beteiligten s<strong>in</strong>d sich e<strong>in</strong>ig, dass die Quartiere e<strong>in</strong>en wichtigen<br />

Beitrag zur <strong>Integration</strong> der Migrantenbevölkerung leisten. Nach dem neuen<br />

Welcome-Konzept soll <strong>in</strong> jedem Quartier e<strong>in</strong>e Begrüssung der Neuzugezogenen<br />

stattf<strong>in</strong>den. Die Frage aber, wie die Quartierarbeit am besten<br />

organisatorisch zu regeln ist, ist umstritten. Aus Sicht der Verwaltung besteht<br />

e<strong>in</strong> Interesse daran sicherzustellen, dass bestimmte Angebote (z.B. Neuzuzügerbegrüssung)<br />

flächendeckend durchgeführt werden. Die Quartiere h<strong>in</strong>gegen<br />

s<strong>in</strong>d der Me<strong>in</strong>ung, dass die Aktivitäten <strong>in</strong> den Quartieren auf die lokalen<br />

Gegebenheiten Rücksicht nehmen müssen. Zudem befürchten e<strong>in</strong>ige Akteure,<br />

dass die diversen Reformen im Bereich der Quartierarbeit zu Überschneidungen<br />

führen könnten (Interview 6).<br />

Das bestehende Angebot an „offenen Treffs“ wurde von den meisten Interviewpartnern<br />

als ausreichend bezeichnet. Betrachtet man die Gesamtheit der<br />

„offenen Treffs“, so fällt auf, dass der Grossteil allen offen steht, wobei das<br />

170<br />

Angebot der meisten offenen Treffs <strong>in</strong>sbesondere Familien anspricht.<br />

Daneben gibt es spezifische Treffs <strong>und</strong> Anlaufstellen, die sich primär an die<br />

Jugendlichen richten. E<strong>in</strong>e Gruppe, deren Bedürfnisse – laut Expert<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Experten – mit dem jetzigen Angebot nicht abgedeckt wird, ist die der älteren<br />

Migrantenbevölkerung. Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Idee entwickelt,<br />

e<strong>in</strong>en Treffpunkt speziell für ältere Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Migranten<br />

e<strong>in</strong>zurichten (Interview 11).<br />

E<strong>in</strong>ige der Interviewten zweifelten gr<strong>und</strong>sätzlich am Nutzen der<br />

<strong>in</strong>terkulturellen Begegnungsangebote. Sie s<strong>in</strong>d der Auffassung, dass die<br />

Schweizer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizer, die diese Orte frequentieren, sowieso schon<br />

Ausländer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ausländern gegenüber offen seien. Dagegen würden<br />

Personen, die e<strong>in</strong>e negative Haltung haben, solche Orte pr<strong>in</strong>zipiell meiden<br />

(Interview 22). E<strong>in</strong> weiterer Kritikpunkt, der <strong>in</strong> den Interviews geäussert<br />

wurde, betraf die den Begegnungsprojekten <strong>unter</strong>liegende „Br<strong>in</strong>g-Schuld“.<br />

So fragten sich Interviewpartner, warum es immer die Aufgabe der<br />

Aufnahmegesellschaft se<strong>in</strong> sollte, Möglichkeiten der <strong>in</strong>terkulturellen Begegnung<br />

zu schaffen. Man könnte doch ebenso verlangen, dass die Migrant<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Migranten ihrerseits Stätten der <strong>in</strong>terkulturellen Begegnung schaffen<br />

(Interview 6).<br />

Umstritten war auch die Frage, <strong>in</strong>wiefern die Angebote wirklich zu e<strong>in</strong>em<br />

besseren Verständnis zwischen den Kulturen beitragen (Interviews 1, 6, 4,<br />

25). Als äusserst wichtige Orte der <strong>in</strong>terkulturellen Begegnung wurden von<br />

den Expert<strong>in</strong>nen die zahlreichen Sportvere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Klubs <strong>in</strong> der Region <strong>Basel</strong><br />

angeführt. Sie stimmen dar<strong>in</strong> übere<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> den zahlreichen Sportvere<strong>in</strong>en<br />

– <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den Fussballclubs – e<strong>in</strong> wichtiger Beitrag zur <strong>Integration</strong><br />

geleistet wird. In diesem Zusammenhang wurde die These aufgestellt, dass<br />

die <strong>in</strong>terkulturellen Begegnungsangebote nur beschränkt nützlich s<strong>in</strong>d, weil<br />

sich die Menschen ihre Fre<strong>und</strong>e aufgr<strong>und</strong> von geme<strong>in</strong>samen Interessen<br />

(Fussball, Turnen, Malen etc.) aussuchen würden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> würde<br />

es sich eher lohnen, auf e<strong>in</strong>e transkulturelle Öffnung der Vere<strong>in</strong>e<br />

h<strong>in</strong>zuwirken als <strong>in</strong>terkulturelle Begegnungszentren zu schaffen.<br />

E<strong>in</strong> letzter Punkt bezieht sich auf die Kritik, dass sich die Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Migranten an Veranstaltungen für die Allgeme<strong>in</strong>heit nur selten beteiligen<br />

würden (Interviews 6, 10). So wurde moniert, dass die Migrant<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Migranten die diversen Angebote nur selten nutzen würden <strong>und</strong> auch das<br />

mangelnde Engagement der Migrantenvere<strong>in</strong>en bei offiziellen Veranstaltungen<br />

(z.B. Quartierfesten etc.) wurde kritisiert. Insgesamt lassen die<br />

Interviews den Schluss zu, dass die Vernetzung zwischen den Migrantenvere<strong>in</strong>en<br />

<strong>und</strong> der „schweizerischen Zivilgesellschaft“ nach wie vor unzureichend<br />

ist. E<strong>in</strong>e Ausnahme s<strong>in</strong>d die Olla Comun Anlässe, bei denen<br />

Migrantengruppen <strong>und</strong> schweizerische Vere<strong>in</strong>e zusammenarbeiten. Insgesamt<br />

wurde mehrere Male die Angst geäussert, dass die fehlende Vernetzung<br />

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