Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...
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Belegschaft leisten sollen. Dabei ist auffällig, dass im Gesetzestext e<strong>in</strong>e<br />
„kann“-Formulierung gewählt wurde, um die Rolle der Arbeitgeber zu<br />
umschreiben: Sie können zwar e<strong>in</strong>en Beitrag zur <strong>Integration</strong> der Belegschaft<br />
leisten, aber sie werden nicht dazu gezwungen. Die Arbeitgeberorganisationen<br />
haben auf dieser Formulierung <strong>und</strong> auch auf der Formulierung<br />
„im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ bestanden, um sich vor zusätzlichen<br />
Verpflichtungen abzusichern.<br />
Den Arbeitgebern stehen verschiedene Möglichkeiten offen, zur <strong>Integration</strong><br />
ihrer ausländischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter beizutragen.<br />
Beispielsweise können sie ihre Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter dazu<br />
motivieren, e<strong>in</strong>en Deutsch- oder <strong>Integration</strong>skurs zu belegen, <strong>in</strong>dem sie ihnen<br />
gestatten, den Kurs während ihrer Arbeitszeit zu besuchen oder <strong>in</strong>dem sie<br />
sich an den Kurskosten beteiligen. E<strong>in</strong>e andere Möglichkeit besteht dar<strong>in</strong>, die<br />
ausländische Belegschaft über Fragen der Sozialversicherung, Steuern,<br />
Krankenkassen etc. zu <strong>in</strong>formieren. Ausserdem können die Unternehmen sich<br />
für die Chancengleichheit ihrer ausländischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Mitarbeiter e<strong>in</strong>setzen <strong>und</strong> für e<strong>in</strong> gutes Betriebsklima sorgen, <strong>in</strong> dem die<br />
Multikulturalität der Belegschaft als Ressource <strong>und</strong> nicht als Problem<br />
betrachtet wird.<br />
In den Interviews stellte sich heraus, dass die Bestimmungen der Verordnung<br />
sehr <strong>unter</strong>schiedlich umgesetzt werden (Interviews 10, 25, 26). E<strong>in</strong>ige Firmen<br />
(z.B. Roche oder Novartis) beauftragten private Sprachschulen mit der<br />
Durchführung von Sprachkursen. In diesen Schulen können die Mitarbeiter<br />
während der Arbeitszeit auf Kosten der Firma Deutsch-, Englisch- oder<br />
andere Sprachkurse belegen. Das Kursangebot richtet sich sowohl an die<br />
e<strong>in</strong>heimischen als auch an die ausländischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Mitarbeiter. Dabei ist bei den Schweizer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schweizern die Nachfrage<br />
nach Englischkursen besonders hoch, während bei den ausländischen<br />
Arbeitnehmern vor allem Deutschkurse gefragt s<strong>in</strong>d. Diese Kurse f<strong>in</strong>den<br />
meistens <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen auf dem Firmengelände statt.<br />
Laut den Interviewpartnern hängt die Bereitschaft, Sprachkurse anzubieten<br />
von der jeweiligen Branche ab (Interview 25). In e<strong>in</strong>igen Branchen (z.B.<br />
Re<strong>in</strong>igung, Bau) haben sich die Sozialpartner zusammengeschlossen, um den<br />
ausländischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter spezifische Deutschkurse<br />
anzubieten. Meistens beauftragen sie e<strong>in</strong>e Sprachschule – z.B. ECAP – mit<br />
der Durchführung der Kurse. Die Arbeitnehmer beteiligen sich mit e<strong>in</strong>em<br />
symbolischen Beitrag von 100 CHF an den Kurskosten; den Rest<br />
übernehmen die Sozialpartner. Die meisten branchenspezifischen Sprachkurse<br />
f<strong>in</strong>den ausserhalb der Arbeitszeit statt, <strong>und</strong> die Sprachschulen richten<br />
sich bei der Gestaltung der Kurse nach den Arbeitszeiten <strong>und</strong> Bedürfnissen<br />
ihrer Klientel (z.B. K<strong>in</strong>derbetreuung bei Frauenkursen). Auch die Inhalte<br />
orientieren sich an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer.<br />
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Die Bereitschaft der Arbeitgeber, den Besuch der Sprachkurse zu fördern, hat<br />
verschiedene Gründe. Im Vordergr<strong>und</strong> steht die Überlegung, dass das<br />
Beherrschen der Sprache dazu beiträgt, dass sich die ausländischen<br />
Arbeitnehmer <strong>in</strong> der Schweiz wohl fühlen. Daneben ist jede zusätzliche<br />
Sprache e<strong>in</strong>e Qualifikation, die sich auf die Beförderungs- <strong>und</strong><br />
Karrierechancen der Betreffenden positiv auswirkt. In e<strong>in</strong>igen Branchen<br />
haben die Arbeitgeber <strong>in</strong>zwischen begriffen, dass die Erbr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>er<br />
qualitativ hohen Dienstleistung von der Förderung der Kompetenzen der<br />
Mitarbeiter abhängt. Dazu gehört auch der Erwerb von Deutschkenntnissen<br />
<strong>und</strong> die Vermittlung von Wissen zur korrekten Durchführung von<br />
bestimmten Aufgaben (wie wird richtig geputzt, welche Mittel müssen<br />
verwendet werden etc.).<br />
Der Beitrag der Sozialpartner zur <strong>Integration</strong> der Arbeitnehmer erstreckt sich<br />
auch auf andere Bereiche. Bei der Betreuung <strong>und</strong> Beratung der Arbeitnehmer<br />
<strong>in</strong> Fragen des alltäglichen Lebens (Steuern, Arbeitsrecht etc.) nehmen die<br />
Gewerkschaften e<strong>in</strong>e wichtige Rolle e<strong>in</strong>. Sie bieten ihren Mitgliedern<br />
Beratung <strong>in</strong> diversen Sprachen an, da diese aus vielen verschiedenen<br />
Sprachregionen kommen.<br />
6.2.2 Diversity Management<br />
Die Forderung von migrantenfre<strong>und</strong>lichen Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> das<br />
damit zusammenhängende Thema des Diversity Management wurden<br />
mehrere Male <strong>in</strong> den Interviews zur <strong>Integration</strong>sförderung erwähnt, weshalb<br />
im Folgenden kurz darauf verwiesen wird (Interview 1, 8, 26). Der Ansatz<br />
des Diversity Managements (<strong>in</strong>dividual recognition) ist e<strong>in</strong> relativ neues<br />
Konzept, das den E<strong>in</strong>zelnen mit se<strong>in</strong>en spezifischen Merkmalen <strong>und</strong><br />
Fähigkeiten <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellt. Dabei werden Vielfalt <strong>und</strong><br />
Verschiedenheit als positive Faktoren für das Funktionieren e<strong>in</strong>es<br />
Unternehmens oder e<strong>in</strong>er Institution gesehen. Im Unterschied zu anderen<br />
Ansätzen liegen dem Diversity Management ke<strong>in</strong>e direkten gesetzlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen zugr<strong>und</strong>e, sondern es basiert auf dem Pr<strong>in</strong>zip der Freiwilligkeit<br />
(Er<strong>in</strong> <strong>und</strong> Dobb<strong>in</strong> 1998). Dieser auf ökonomischen Anreizen beruhende<br />
Ansatz ist <strong>in</strong> den USA der 80er Jahre im Kontext der neoliberalen<br />
Politikwende entstanden, wo strenge Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetze die<br />
Unternehmen dazu zwangen, sich mit Diversität ause<strong>in</strong>ander zu setzen<br />
(Sohler <strong>und</strong> Trauner 2005: 16).<br />
In den Interviews stellte sich heraus, dass es vielfältige Gründe dafür gibt, <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Unternehmen e<strong>in</strong>e Diversity Management Strategie e<strong>in</strong>zuführen. In<br />
e<strong>in</strong>igen Fällen überwiegen „wirtschaftliche“ Überlegungen, denn die<br />
Rekrutierung e<strong>in</strong>er Person mit <strong>Migration</strong>sh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> kann zur Erschliessung<br />
neuer K<strong>und</strong>ensegmente beitragen. In e<strong>in</strong>em Interview wird <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang die E<strong>in</strong>stellung e<strong>in</strong>es türkischsprechenden Bankk<strong>und</strong>en-<br />
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