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Migration und Integration in Basel-Stadt Ein «Pionierkanton» unter ...

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Auf die Frage, warum die Frühförderung im Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> e<strong>in</strong>e so<br />

grosse Rolle spielt, wurden von den befragten Experten zwei Vermutungen<br />

angeführt. Sie <strong>unter</strong>strichen erstens, dass der Sprachförderung <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> schon<br />

immer e<strong>in</strong>e wichtige Rolle im <strong>Integration</strong>sprozess zugeschrieben wurde,<br />

wodurch es dann auch möglich wurde, das Thema Frühförderung zu e<strong>in</strong>em<br />

Politikum zu machen. Ausserdem me<strong>in</strong>ten sie, dass die Forderung nach<br />

Frühförderung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em urbanen Kanton, <strong>in</strong> dem die Vere<strong>in</strong>barkeit von<br />

Familie <strong>und</strong> Beruf e<strong>in</strong> Anliegen vieler Bürger<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürger darstellt, auf<br />

mehr Gegenliebe stösst als <strong>in</strong> ländlich geprägten Regionen.<br />

Die Bereitschaft des Kantons sowie e<strong>in</strong>iger Stiftungen <strong>in</strong>novative Pilotprojekte<br />

im Bereich der Elternarbeit zu f<strong>in</strong>anzieren, wurde von den<br />

<strong>in</strong>terviewten Experten ebenfalls als Stärke wahrgenommen (Interviews 7, 12,<br />

18). Unter Bildungsexperten ist es nämlich unbestritten, dass den Eltern nach<br />

wie vor bei der Erziehung <strong>und</strong> Betreuung ihrer K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />

zukommt (Interviews 3, 19).<br />

Die Offenheit des Kantons gegenüber dem Projekt Standardsprache im<br />

K<strong>in</strong>dergarten hat sich ausgezahlt. Da sowohl die Evaluation der<br />

Schulleistungen der K<strong>in</strong>der als auch die Rückmeldungen der meisten<br />

Teilnehmer (Eltern, K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Lehrkräfte) positiv waren, verfügt der<br />

Kanton nun über stichhaltige Argumente, die die E<strong>in</strong>führung der<br />

Standardsprache <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dergarten rechtfertigen. Allerd<strong>in</strong>gs wird es wohl<br />

trotz der positiven Resultate des Schulversuchs schwierig werden, die<br />

Debatte um die E<strong>in</strong>führung der Standardsprache sachlich zu führen, denn die<br />

Gegner dieser Initiative s<strong>in</strong>d bestrebt, bei der bevorstehenden Abstimmung<br />

vor allem an Emotionen zu appellieren <strong>und</strong> sachliche Argumente nicht gelten<br />

zu lassen.<br />

5.1.3.2 Schwächen<br />

E<strong>in</strong>ige Schwachpunkte des Konzepts hängen eng mit den vorher erwähnten<br />

Stärken zusammen. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Interviews oft geäusserte Befürchtung<br />

bezieht sich darauf, dass das holistische Verständnis der Frühförderung durch<br />

die Konzentration auf die Sprachförderung <strong>und</strong> der sich daraus ergebenen<br />

Sonderstellung dieser Massnahme kompromittiert werden könnte (Interview<br />

18), weil die anderen Aspekte der Frühförderung (Ges<strong>und</strong>heit, motorische<br />

Fähigkeiten etc.) auf diese Weise zu kurz kommen könnten. E<strong>in</strong>ige der<br />

befragten Expert<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Experten hoffen daher, dass der Kanton sich<br />

künftig nicht nur für die Qualität der Sprachförderung e<strong>in</strong>setzen wird,<br />

sondern auch für die Umsetzung der gesamten Frühförderkonzepte. Ihrer<br />

Auffassung nach besteht kaum Zweifel daran, dass nur e<strong>in</strong>e alle Ebenen<br />

umfassende, qualitativ hochwertige Frühförderung zu längerfristigen<br />

88<br />

Erfolgen <strong>in</strong> diesem Bereich führt (vgl. Lanfranchi <strong>und</strong> Sempert 2009; Moser<br />

et al. 2008a).<br />

E<strong>in</strong> zweiter Schwachpunkt betrifft die Erreichbarkeit der anvisierten<br />

Zielgruppen. Wie die <strong>in</strong>terdepartementale Arbeitsgruppe Frühförderung <strong>in</strong><br />

ihrem Konzept selbstkritisch zugibt, bestehen zwar viele Angebote im Frühbereich,<br />

aber oft erreichen sie das anvisierte Zielpublikum nicht. Der<br />

Verdacht liegt daher nahe, dass die Zielgruppen aus strukturellen Gründen<br />

nicht erreicht werden. Die Experten verweisen <strong>in</strong> diesem Kontext sowohl auf<br />

mangelnde Angebote <strong>in</strong> der unmittelbaren Nachbarschaft der Zielgruppen als<br />

auch auf die hohen Kosten der bereits vorhandenen Betreuungsangebote. Die<br />

Studien von Lanfranchi et al. kommen zu demselben Ergebnis (Lanfranchi<br />

<strong>und</strong> Schrottmann 2004). Obwohl die E<strong>in</strong>führung der Kostenreduktion ab dem<br />

Schuljahr 2010/11 die Nachfrage nach Betreuungsplätzen ansteigen lassen<br />

könnte, haben die Experten Zweifel, ob diese Ermässigungen h<strong>in</strong>reichend<br />

s<strong>in</strong>d, um sozial benachteiligte Personen dazu zu bewegen, ihre K<strong>in</strong>der extern<br />

betreuen zu lassen. E<strong>in</strong>e Verbesserung dieser Situation erwarten sie erst von<br />

der E<strong>in</strong>führung des selektiven Obligatoriums, das den Kanton dazu<br />

verpflichtet, die Kosten für die Betreuung der betroffenen K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> vollem<br />

Umfang zu übernehmen.<br />

Auch bei den Angeboten zur Elternberatung- <strong>und</strong> Elternbildung wird sich erst<br />

<strong>in</strong> Zukunft zeigen, ob die anvisierten Zielgruppen durch die aufsuchenden<br />

Projekte wirklich besser erreicht werden. Da die Literatur zur Familienbegleitung<br />

auf die Wichtigkeit der Beratung <strong>in</strong> der Muttersprache h<strong>in</strong>weist<br />

(Wittke 2007), stellt sich die Frage, warum die Hausbesuche <strong>in</strong> <strong>Basel</strong> nur auf<br />

Deutsch durchgeführt werden. Die def<strong>in</strong>itive Beurteilung, ob die Festlegung<br />

auf e<strong>in</strong>e Sprache e<strong>in</strong>en Vor- oder Nachteil darstellt, wird wohl erst nach dem<br />

Abschluss der Pilotphase <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er daran anschliessenden Evaluation<br />

möglich se<strong>in</strong>.<br />

Generell stellt sich die Frage, ob die zur Verfügung gestellten f<strong>in</strong>anziellen<br />

Mittel ausreichen, um den Ausbau <strong>und</strong> die Verbesserung des Angebots zu<br />

erzielen. Im Budget für das Jahr 2009 s<strong>in</strong>d zusätzliche 1.5 Mio. Franken für<br />

den Frühbereich vorgesehen (Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> 2008: 166). Daneben<br />

werden 2.5 Mio. Franken jährlich für die Umsetzung des Projekts<br />

Sprachförderung <strong>in</strong> den Jahren 2008-2012 angesetzt. In den Jahren 2013 bis<br />

2015 sollen laut Vernehmlassung 2.3 Mio. Franken bzw. ab 2015 1.9 Mio.<br />

Franken pro Jahr <strong>in</strong>vestiert werden (Regierungsrat des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />

2009a). Ob dieser Betrag für e<strong>in</strong>en angemessenen Ausbau der Angebote im<br />

Frühbereich ausreicht, ist <strong>unter</strong> den Experten umstritten. Denn dass die hohen<br />

Kosten e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis für den Ausbau der Frühförderung s<strong>in</strong>d, kommt <strong>in</strong> den<br />

Stellungnahmen des Regierungsrats immer wieder zum Vorsche<strong>in</strong>. So wurde<br />

beispielsweise die flächendeckende E<strong>in</strong>richtung von Frühk<strong>in</strong>dergärten abgelehnt,<br />

weil damit e<strong>in</strong> bedeutender Kultur- <strong>und</strong> Strukturwandel sowie hohe<br />

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