Broschüre "Kernfusion" - KIT - PL FUSION
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2.4.1. Der Tokamak<br />
In der Praxis handhabbar wird das<br />
magnetische Einschlussprinzip, wenn<br />
man das Plasmagefäß ringförmig<br />
gestaltet und diesen Ring (lateinisch<br />
„Torus“) mit starken Magnetfeldspulen,<br />
den so genannten „Toroidalfeldspulen“,<br />
umgibt (Abb. 9). Eine<br />
Transformatorspule auf der Symmetrieachse<br />
des Torus induziert einen<br />
starken elektrischen Strom von vielen<br />
Hunderttausend oder Millionen Ampere,<br />
indem die elektrisch geladenen<br />
Bestandteile des Plasmas (Elektronen<br />
und Ionen) in Bewegung gesetzt werden.<br />
Der Plasmaring wirkt dabei als<br />
einwindige Sekundärwicklung des<br />
Transformators. In Folge heizt sich<br />
das Plasma aufgrund seines elektrischen<br />
Widerstandes auf. Der Plasmastrom<br />
erzeugt seinerseits ein weiteres<br />
Magnetfeld, das konzentrisch<br />
zum Torus orientiert ist, das so<br />
genannte „Poloidalfeld“. Zur Stabilisierung<br />
des Plasmas wird schließlich<br />
noch ein weiterer Spulensatz hinzugefügt:<br />
die Vertikalfeldspulen. Insge-<br />
Transformatorjoch<br />
Plasmastrom<br />
Abb. 9:<br />
Stabiler Einschluss von<br />
Fusionsplasmen in einem<br />
Torus mit helikalem<br />
Magnetfeld und Plasmastrom:<br />
das Tokamak-Prinzip.<br />
(Grafik: FZJ)<br />
samt entsteht durch die vektorielle<br />
Überlagerung von Toroidalfeld, Vertikalfeld<br />
und Poloidalfeld ein helikales<br />
– d.h. schraubenförmig gewundenes<br />
– Summenmagnetfeld, welches<br />
das Plasma vollständig „umwickelt“.<br />
Die helikale Struktur des Magnetfeldes<br />
ist unverzichtbar für den stabilen<br />
Einschluss eines ringförmigen<br />
Fusionsplasmas.<br />
Die gerade beschriebene Anordnung<br />
nennt man „Tokamak“ (Abb. 9). Das<br />
Akronym steht für den russischen<br />
Begriff „TOroidalnaya Kamera s<br />
MAgnitnymi Katushkami“, frei übersetzt:<br />
„toroidale Kammer mit Magnetfeldspule“.<br />
Russische Forscher<br />
waren die ersten, die in den sechziger<br />
Jahren das Tokamak-Prinzip anwendeten<br />
und darauf beruhende Experimente<br />
in Betrieb nahmen. Seitdem ist<br />
der Tokamak zum erfolgreichsten<br />
Transformatorspulen<br />
Plasma<br />
Magnetfeldlinie<br />
Toroidalfeldspulen<br />
Vertikalfeldspulen<br />
und am weitesten fortgeschrittenen<br />
Konzept zur Realisierung der Kernfusion<br />
geworden. Alleine durch den<br />
Plasmastrom in Kombination mit<br />
dem elektrischen Widerstand des<br />
Plasmas lassen sich Temperaturen bis<br />
über 10 Millionen Grad erzeugen.<br />
Auch das im Bau befindliche internationale<br />
Experiment ITER wird ein<br />
Tokamak sein. Allerdings ist ein<br />
Tokamak vom Prinzip her zunächst<br />
einmal eine nur mit zeitlich begrenzten<br />
Pulsen betreibbare Maschine:<br />
Grund ist die nicht beliebig hohe<br />
Magnetisierbarkeit des Transformatormaterials,<br />
siehe Kapitel 3.1.1.<br />
Tokamak-Forschung betreiben in der<br />
Helmholtz-Gemeinschaft das Max-<br />
Planck-Institut für Plasmaphysik in<br />
Garching (Experiment ASDEX Upgrade)<br />
und das Forschungszentrum<br />
Jülich (Experiment TEXTOR).