Broschüre "Kernfusion" - KIT - PL FUSION
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34<br />
3.6. Werkstoffe für die Fusion<br />
Die Materialentwicklung für zukünftige<br />
Fusionskraftwerke umfasst eine<br />
Vielzahl von Werkstoffen. Schwerpunktmäßig<br />
befasst sich das Forschungszentrum<br />
Karlsruhe mit der<br />
Entwicklung von Strukturwerkstoffen,<br />
die einen entscheidenden Einfluss<br />
auf die Auslegung fast aller plasmanahen<br />
Komponenten ausüben und<br />
somit für Langlebigkeit, Wirkungsgrad,<br />
Wirtschaftlichkeit, Sicherheit<br />
und Entsorgung von grundlegender<br />
Bedeutung sind. Langfristig gesehen<br />
sind Strukturwerkstoffe zu entwickeln,<br />
die einer komplexen Überlagerung<br />
intensiver Neutronen- und Wärmestrahlung,<br />
Brut- und Kühlmitteleinflüssen<br />
und thermisch-mechanischer<br />
Wechselverformung über viele<br />
Jahre hinweg standhalten und darüber<br />
hinaus umweltschonende radiologische<br />
Eigenschaften haben.<br />
Neben den klassischen Eigenschaften<br />
eines Werkstoffes hinsichtlich Thermophysik,<br />
Mechanik, Korrosion und<br />
Kompatibilität mit anderen Materialien,<br />
zum Beispiel Brutkeramik und<br />
Beryllium, stellen die für einen Fusionsreaktor<br />
typische hochenergetische<br />
Neutronen- und Gammastrahlung<br />
sowie die Wärmebelastung besondere<br />
Anforderungen.<br />
Die hochenergetischen Fusionsneutronen<br />
durchdringen Strukturmaterialien<br />
und führen durch Wechselwirkungen<br />
mit den Gitteratomen zur<br />
so genannten Verlagerungsschädigung,<br />
welche ihrerseits makroskopische<br />
Werkstoffeigenschaften wie Kriechund<br />
Ermüdungsbeständigkeit, Duktilität,<br />
Versprödungsfestigkeit, Bruchzähigkeit<br />
oder Korrosionseigenschaften<br />
deutlich verschlechtern kann. Als<br />
ein Maß der Verlagerungsschädigung<br />
gilt die Zahl der Verlagerungen pro<br />
Gitteratom (displacement per atom,<br />
dpa). Schließlich führen hohe Neutronenenergien<br />
zu Kernumwandlungsreaktionen,<br />
bei denen die versprödungswirksamen<br />
Elemente Wasserstoff<br />
und Helium in signifikanten<br />
Konzentrationen anfallen. Die neutronen-induzierte<br />
Schädigung der<br />
Ersten Wand eines Leistungsreaktors<br />
wird sich in metallischen Werkstoffen<br />
auf typischerweise 20 dpa, etwa<br />
200 appm (atomic parts per million)<br />
Helium und 1000 appm Wasserstoff<br />
pro Betriebsjahr belaufen, so dass<br />
allein schon aufgrund der Neutronenbestrahlung<br />
hohe Anforderungen an<br />
Strukturmaterialien eines Fusionskraftwerks<br />
zu stellen sind. Eine dem<br />
entsprechende Werkstoffauswahl und<br />
Entwicklung basiert derzeit auf<br />
Simulationsbestrahlungen in Spaltreaktoren<br />
und Leichtionenbeschleunigern<br />
sowie auf Modellrechnungen<br />
und entsprechenden Extrapolationen.<br />
Zur endgültigen Qualifizierung der<br />
Werkstoffe für ein Fusionskraftwerk<br />
ist jedoch eine Neutronenquelle erforderlich,<br />
die ein fusionstypisches<br />
Neutronenspektrum erzeugen kann.<br />
Ein wesentliches Entwicklungsziel<br />
ist das schnelle Abklingen der bestrahlungs-induzierten<br />
Aktivierung.<br />
Ein besonderer Vorteil der Fusionstechnologie<br />
ist das völlige Fehlen<br />
spaltbarer schwerer Elemente und die<br />
damit einhergehende Bildung sehr<br />
langlebiger und zum Teil weiterhin<br />
spaltbarer Radioisotope. Damit verbleibt<br />
im Fusionskraftwerk als wesentliche<br />
Quelle für die Bildung von<br />
Radioaktivität der Neutroneneinfang<br />
in plasmanahen Strukturwerkstoffen.<br />
Da unter Neutronenbestrahlung unterschiedliche<br />
Isotope auch um Größenordnungen<br />
unterschiedliche Aktivierbarkeiten<br />
und Abklingzeiten<br />
(Halbwertzeiten) aufweisen, ist die<br />
Entwicklung darauf ausgerichtet, die<br />
Zusammensetzung der Werkstoffe so<br />
zu gestalten, dass sie möglichst nur<br />
aus Elementen mit geringer Langzeitaktivierung<br />
bestehen. Probleme der<br />
Rezyklierung, Stilllegung und Endlagerung<br />
werden damit von Anfang<br />
an grundlegend entschärft.<br />
Die genannten Anforderungen haben<br />
zu einer weltweiten Konzentration<br />
der Werkstoffentwicklung auf im Wesentlichen<br />
drei Werkstoffklassen geführt:<br />
Reduziert aktivierbare ferritisch-martensitische<br />
Stähle (RAFM): Konventionelle<br />
ferritisch-martensitische 9-<br />
12%CrMoV(Nb)-Stähle sind in der<br />
Reaktortechnologie u.a. als Strukturwerkstoffe<br />
von Brennelementen in<br />
schnellen Brütern für einen Temperaturbereich<br />
von etwa 400 bis 550<br />
Grad Celsius entwickelt worden.<br />
Hochdosisbestrahlungen bis 145 dpa