Broschüre "Kernfusion" - KIT - PL FUSION
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70<br />
Tab. 1:<br />
Charakteristische<br />
Daten des<br />
Experimentes<br />
ASDEX Upgrade<br />
Da die Obergrenze für den Plasmadruck<br />
um so niedriger liegt, je größer<br />
die Anlagen sind, schienen in einem<br />
Kraftwerk die Tearing-Moden zunächst<br />
unvermeidlich. Um so größer<br />
war das Aufsehen, als es an ASDEX<br />
Upgrade 1999 erstmals gelungen war,<br />
die Bildung dieser magnetischen<br />
Inseln zu behindern: Dazu hat man<br />
gezielt – auf Zentimeter genau – Mikrowellen<br />
in die Mitte einer entstehenden<br />
Insel eingestrahlt. So wurde lokal<br />
ein elektrischer Strom erzeugt, der<br />
die Insel auflöst. Die Magnetfeldstörung<br />
wird unterdrückt und der Plasmadruck<br />
kann wieder ansteigen.<br />
Durchschlagenden Erfolg hatte man<br />
dann ein Jahr später, als es gelang,<br />
eine Insel gänzlich wegzupusten. Bestätigt<br />
werden konnte die neue Methode<br />
kurz danach an Fusionsanlagen<br />
in den USA und in Japan.<br />
2004 ist es an ASDEX Upgrade nicht<br />
nur gelungen, eine besonders störende<br />
Tearing-Mode zu stabilisieren, die<br />
bis zum Abbruch der Entladung führen<br />
kann. Nach der Verbesserung des<br />
Zielverfahrens gelang dies auch noch<br />
mit sehr geringer Mikrowellenleistung:<br />
Zur Stabilisierung genügten –<br />
Radius der Anlage (über alles): 5 Meter<br />
Höhe (über alles): 9 Meter<br />
Gewicht: 800 Tonnen<br />
Großer Plasmaradius: 1,65 Meter<br />
Plasmahöhe: 1,60 Meter<br />
Plasmabreite: 1,00 Meter<br />
Plasmavolumen: 14 Kubikmeter<br />
Plasmagewicht 0,003 Gramm<br />
Anzahl der Toroidalfeldspulen: 16<br />
Magnetfeld: 3,1 Tesla<br />
Plasmastrom: max. 1,6 Megaampere<br />
Heizleistung: max. 30 Megawatt<br />
- Stromheizung 1 Megawatt<br />
- Neutral-Injektion 20 Megawatt<br />
- Ionen-Zyklotronheizung 6 Megawatt<br />
- Mikrowellen-Heizung 4 Megawatt<br />
Pulsdauer: 10 Sekunden<br />
präzise in die richtige Stelle eingestrahlt<br />
– weniger als zehn Prozent der<br />
insgesamt aufgewandten Heizleistung.<br />
Damit kann man sicher sein, ein<br />
Instrument zur Kontrolle der magnetischen<br />
Inseln gefunden zu haben. Zu<br />
untersuchen ist nun, ob es für ITER<br />
alltagstauglich ist. Um diesen Schritt<br />
von der Physik zur Technik zu gehen,<br />
will man das Verfahren automatisieren:<br />
Das Erkennen der Inseln und ihr<br />
Anzielen per Mikrowelle soll in die<br />
automatisierte Feed-Back-Steuerung<br />
von ASDEX Upgrade aufgenommen<br />
werden. Das System soll die Ausbildung<br />
einer Insel selbständig registrieren,<br />
dann die Insel mit beweglichen<br />
Spiegeln anvisieren und den<br />
Mikrowellenstrahl auslösen. In den<br />
ITER-Plänen ist für diesen Zweck<br />
bereits eine steuerbare Einkopplung<br />
für Mikrowellen vorgesehen.<br />
Studien zum Wandmaterial<br />
Zusätzlich untersucht man an ASDEX<br />
Upgrade unterschiedliche Wandmaterialien,<br />
die den Leistungs- und Teilchenflüssen<br />
in einem Kraftwerk standhalten<br />
können. Neben dem an vielen<br />
Fusionsanlagen eingesetzten Kohlen-<br />
stoff, der sich durch hervorragende<br />
thermische und mechanische Eigenschaften<br />
auszeichnet, wurde an<br />
ASDEX Upgrade sehr erfolgreich mit<br />
einer Wolframbeschichtung des Divertors<br />
und der inneren Wand experimentiert<br />
(siehe auch Kap. 7.1.4).<br />
Wolfram ist in seinen thermischen<br />
und mechanischen Eigenschaften<br />
dem Kohlenstoff noch überlegen und<br />
kann darüber hinaus, im Gegensatz<br />
zu Kohlenstoff, nur wenig Wasserstoff<br />
binden, was sich in einem Kraftwerk<br />
günstig auf das Tritiuminventar<br />
auswirken würde.<br />
Wolframverunreinigungen können jedoch<br />
in wesentlich geringerem Maße<br />
als Kohlenstoff im Plasma geduldet<br />
werden, da Wolfram zu starken Abstrahlungsverlusten<br />
führt. ASDEX<br />
Upgrade konnte jedoch zeigen, dass<br />
in Verbindung mit der sanften Wärmeabfuhr<br />
im Divertor nur wenige<br />
Wolframatome an den Prallplatten<br />
losgelöst werden und ins Plasma eindringen<br />
können. Wolfram steht damit<br />
als ernsthafter Kandidat zur Wandauskleidung<br />
in künftigen Fusionsanlagen<br />
zur Verfügung.