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Analyse des menschlichen Fehlverhaltens in Gefahrensituationen

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7. Belastungs- und Bedrohungsprofile von E<strong>in</strong>satzleitungen<br />

7.1 Das Problemspektrum<br />

Bisher standen die Führungsstäbe, Abschnittsleitungen und E<strong>in</strong>satzleitungen noch<br />

wenig im Blickfeld e<strong>in</strong>er gezielten Forschung über akute Bedrohungen, Belastungen<br />

und Fehlverhalten. Es liegen bereits Erfahrungswerte über Führungsfehler<br />

vor, sie s<strong>in</strong>d aber noch nicht gründlich systematisiert und vor allem ätiologisch<br />

näher erkundet. Führungskräfte unterliegen den gleichen <strong>in</strong>ternen Distressmechanismen<br />

wie die E<strong>in</strong>satzkräfte vor Ort. Der Unterschied zwischen beiden Personengruppen<br />

besteht nur dar<strong>in</strong>, dass die jeweiligen Bedrohungsereignisse andere Inhalte<br />

haben. Schwerwiegende Fehler treten meistens dann auf, wenn die<br />

E<strong>in</strong>satzleitungen bzw. E<strong>in</strong>zelpersonen akute Überforderungen zu bewältigen<br />

haben. Die Indikatoren dafür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> geradezu typisches Post-hoc-Denken. Damit<br />

ist gesagt, dass die Maßnahmen immer erst dann e<strong>in</strong>geleitet werden, wenn das<br />

bedrohliche Ereignis bereits se<strong>in</strong>e Wirkungen zeigt. In solchen Fällen ist das Vorausdenken<br />

bereits massiv bee<strong>in</strong>trächtigt, e<strong>in</strong> Phänomen, auf das <strong>in</strong> diesem Bericht<br />

schon an mehreren Stellen h<strong>in</strong>gewiesen wurde. Außerdem s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzleitungen<br />

Informationsausfälle zu beklagen. Diese treten meistens dann auf, wenn<br />

rasche Entscheidungen zu fällen s<strong>in</strong>d. Dadurch bilden sich fehlerhafte Entscheidungsgrößen<br />

heraus, um z.B. e<strong>in</strong>e Region räumen zu lassen oder nicht. Bekannt<br />

s<strong>in</strong>d auch Sprachluxus und Sprachlosigkeit. Beide haben ebenfalls ihre Wurzeln <strong>in</strong><br />

akuten Überlastungen. So kann e<strong>in</strong> Sprachschwall ebenso gefährlich se<strong>in</strong> wie<br />

absolute Stummheit. Der Sprachschwall erklärt sich aus dem Bedürfnis heraus,<br />

zielgerichtet Instruktionen an die Stabsmitarbeiter zu verteilen. Wird dann<br />

bemerkt, dass die Instruktionen nicht mehr genau formuliert werden und daher<br />

ebenso ungenau oder überhaupt nicht mehr die übrigen Adressaten erreichen,<br />

dann ist der E<strong>in</strong>zelne bemüht, durch viele Worte doch noch e<strong>in</strong>en sprachlichen<br />

Treffer zu erzielen. Dieses Phänomen ist auch bei Handlungsüberlastungen zu<br />

beobachten. Es wird als „Schrotschuss-Phänomen“ bezeichnet. Schwierig s<strong>in</strong>d<br />

Führungsfehler, die sich vorwiegend psychomental bemerkbar machen. Dies gilt<br />

für Bedrohungslagen, <strong>in</strong> denen die Gefahren dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach tabuisiert oder ignoriert<br />

werden. Dadurch kommt es zu falschen Lagebewertungen, Krisen werden heruntergespielt.<br />

Damit hängt auch das schon erwähnte mentale Fremdgehen zusammen.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Mitglieder der E<strong>in</strong>satzleitungen wandern aus der Lage aus. Sie<br />

emigrieren geistig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachere Denkreviere. Oftmals werden solche Vorgänge<br />

dann auch real umgesetzt, die betreffende Führungskraft setzt sich e<strong>in</strong>fach ab. So<br />

gibt es Lagen, die von Führungskräften als derart gefährlich empfunden werden,<br />

dass sie ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Der Lagetisch leerte sich.<br />

Überforderungen drücken sich nach den bisherigen Erfahrungen dadurch aus, dass<br />

Führungskräfte sich aus ihrer Verantwortung selbst entlassen. Nach dem Motto,<br />

„was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, schleichen sie sich aus der Führungsverantwortung<br />

regelrecht heraus. Meldungen werden nicht mehr bearbeitet.<br />

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