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EUROPEAN MEDIA ART FESTIVAL OSNABRUECK 2011 - Emaf

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RETROSPECTIVE<br />

STANDISH LAWDER<br />

FILM: KUNST DES 20. JAHRHUNDERTS - STANDISH D. LAWDER<br />

Yale Alumni Magazine, Sonderausgabe: Film and the New Media, Mai 1968<br />

Ein Filmhistoriker der Universität Yale ist der Ansicht, dass Film das wahre Medium deiner Zeit ist. (...) Wie auch<br />

die Fotografie, musste der Film seine eigene Sprache finden. Und die ausdrucksstarke Kraft der Filmsprache<br />

beruht auf ihrer einzigartigen Fähigkeit, sich frei durch Raum und Zeit zu bewegen. (...)<br />

Die Natur des Films<br />

Wenn der Film ein Kunstwerk ist, wo ist dann die Kunst? Ist dessen Kunst in den bewegten Bildern verborgen,<br />

die normalerweise von Ton untermalt auf die Leinwand projiziert werden? Ist sie auf dem Zelluloidstreifen, der<br />

in seiner Metalldose aufbewahrt wird? Oder in den Köpfen der Menschen, die ihn machten oder vielleicht auch<br />

nur in den Köpfen des Zuschauers? Solchen Fragen müssen sich Kritiker oder Historiker für Malerei, Bildhauerei<br />

und andere Museumskünste nicht stellen, wo die Kunst von einem einzigen, physischen Objekt verkörpert<br />

wird. Aber bei einem Film geht es nicht um ein physisches Objekt, sondern um dessen Schatten, und nicht einmal<br />

um den Schatten eines einzigen Objekts, sondern um den vieler identischer Kopien.<br />

Und doch vermittelt der Film eine physikalische Realität in all ihren lebhaften Einzelheiten, er erfasst all ihre<br />

ungeschönten Tatsachen und poetischen Zwischentöne mit gleicher Leichtigkeit, so dass es nicht ein fotografischer<br />

bewegter Schatten zu sein scheint, sondern das Leben selbst. Wenn der Film auf die Leinwand projiziert<br />

wird, schränken seine hypnotischen Kräfte unsere analytischen Fähigkeiten stark ein; nach Ende des Films<br />

bleibt nur eine verblassende Erinnerung an das, was wir glauben gesehen zu haben. Nicht nur, dass die Erfahrungen,<br />

die man bei einem bestimmten Film macht bei jedem unterschiedlich sind. Jeder kann auch ganz unterschiedliche<br />

Erfahrungen machen, wenn er den gleichen Film bei verschiedenen Gelegenheiten sieht.<br />

Filme sind etwas schwer Fassbares. Oft können wir uns mit grafischer Klarheit an einzelne Momente aus Filmen<br />

erinnern, die ansonsten lange in Vergessenheit geraten sind. Momente, die sich, warum auch immer, in unser<br />

Gehirn eingebrannt haben wie ein Déjà-vu-Erlebnis, die jedoch für das Gefüge des Films selbst keine besondere<br />

Bedeutung haben. Und immer wieder sind wir irgendwie entmutigt, wenn wir versuchen jemandem einen<br />

Film zu erklären, der ihn nicht gesehen hat. In dem Versuch, die Beurteilung unserer Erfahrung deutlich zu<br />

machen, finden wir oft nicht die richtigen Worte, sie sind nicht aussagekräftig oder klingen nichtssagend. Das<br />

Geheimnis der Bedeutung eines Films, wie auch das der Musik, hängt in der Luft, es ist nicht in Worte zu fassen,<br />

Beschreibungen und Definitionen sind außer Reichweite. (...)<br />

Dennoch sind unsere Möglichkeiten der Wahrnehmung beim Anschauen eines Films und dem Betrachten eines<br />

Gemäldes grundverschieden. Wir stellen fest, dass das filmische Bild – da es fotografisch ist – von vornherein<br />

eine greifbare Existenz hat, die das gemalte Bild nicht braucht und das, infolgedessen, der Wirklichkeit näher<br />

zu sein scheint. Es hat eine stärkere existentielle Präsenz und erscheint uns viel realistischer als die Bilder jeder<br />

anderen visuellen Kunst. Mit ihrem scharfen Auge ermöglicht es uns die Kameralinse zu sehen und zwingt<br />

uns deshalb zu glauben, dass die sichtbare Welt weit über die normale Wahrnehmbare hinaus geht, sogar über<br />

die Grenzen der menschlichen visuellen Vorstellung.<br />

Film als Zeitgenössische Kunst<br />

Wenn wir uns einen Film anschauen träumen wir mit offenen Augen. Filme blenden unsere Welt aus und ersetzen<br />

sie mit ihrer eigenen. Für die Dauer des Films leben wir das Leben auf dem Bildschirm. Die Grenzen, die<br />

Kunst und Leben voneinander trennen, werden aufgelöst; oder, sagen wir es so, das Kino ist eine Kunst, die uns<br />

dem Leben näher bringt.<br />

Neueste Entwicklungen bei den älteren, traditionelleren Kunstformen kommen einer ähnlichen Verschmelzung<br />

von Kunst und Leben ebenfalls näher. Es ist gut möglich, dass diese Veränderungen teilweise auf den weit verbreiteten<br />

Einfluss des Films in der zeitgenössischen Kultur zurückzuführen ist, obwohl sich das nur schwer mit<br />

Sicherheit sagen lässt. Wir können jedoch sagen, dass alle Kunstformen sich in den letzten Jahren den Gegebenheiten<br />

des Films genähert haben. (...) Im Theater haben neueste experimentelle Arbeiten das Bühnenportal,<br />

das die Bühne vom Publikum trennt, ausrangiert. Arenatheater sind ähnlich bemüht, eine größere Nähe<br />

zwischen den Schauspielern und dem Publikum herzustellen. Ein weitere Möglichkeit die Grenzen zwischen<br />

Kunst und Leben zu verwischen ist von den Pop-Art-Künstlern, hauptsächlich im Bereich der Malerei, erschlossen<br />

worden. Ihre überdimensionalen Bilder alltäglicher Handelsprodukte, wie die von Andy Warhol gemalten<br />

Campbell Suppendosen, gelten als direkter Angriff auf unsere traditionelle Einstellung zur Kunst. Sind<br />

diese Bilder nicht als Kunst zu bezeichnen, weil es dabei um gewöhnliche Gegenstände geht? Und wo kommen<br />

diese Bilder vor, in der realen Welt der Plakatwerbung oder in der Kunstwelt? Wie auch beim filmischen Bild ist<br />

keine Antwort auszuschließen. (...)<br />

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