Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
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4 Fazit<br />
4 Fazit<br />
Auch wenn die Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit bei <strong>der</strong> objektiven Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitstheorie<br />
stets auf einen objektiven Normverstoss zurückzuführen ist, bedingt die objektive<br />
Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitstheorie letztendlich einen zweigliedrigen Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitsbegriff.<br />
Bei <strong>der</strong> Verletzung eines absoluten Rechts ist die Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit sofort<br />
indiziert, bei Vermögensschäden muss ausserdem eine Schutznormverletzung<br />
vorliegen. Im Gegensatz zu § 823 I BGB 276 enthält <strong>Art</strong>. <strong>41</strong> <strong>OR</strong> keine entsprechende<br />
Privilegierung von absoluten Rechten gegenüber reinen Vermögensschäden 277<br />
und die wörtliche Auslegung von <strong>Art</strong>. <strong>41</strong> <strong>OR</strong> bietet keine Grundlage für eine entsprechende<br />
Unterscheidung. Im Gegenteil, die generalklauselartige Formulierung<br />
legt nah, nicht auf die <strong>Art</strong> des verletzten Rechts abzustellen. 278<br />
Systematisch würde ein zweigliedriger Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitsbegriff nur dann Sinn<br />
machen, wenn die dahinter liegenden Sachverhalte <strong>der</strong>art verschieden wären, dass<br />
sich eine unterschiedliche Behandlung aufdrängen würde. Während die Rechtsgüter<br />
Leib und Leben gegenüber dem Eigentum und dem Vermögen eine erhöhte<br />
Bedeutung einnehmen können, ist nicht einzusehen, inwiefern sich Eigentum und<br />
Vermögen voneinan<strong>der</strong> unterscheiden. 279 Dogmatisch wurde die Unterscheidung<br />
276<br />
Vgl. Rz. 95.<br />
277<br />
GAUCH/SWEET, S. 136; ROBERTO, Deliktsrechtlicher Schutz, S. 519.<br />
278 MÜLLER-CHEN, S. 301; vgl. aber WIDMER, Anwaltspraxis, N 2.37: Obwohl das <strong>OR</strong> den<br />
<strong>Begriff</strong> des reinen Vermögensschadens nicht kennt und <strong>Art</strong>. <strong>41</strong> <strong>OR</strong> schlechthin von<br />
Schaden spricht, gibt es mehrere Spezialgesetze, die ausdrücklich bzw. durch qualifiziertes<br />
Schweigen die Ersatzfähigkeit auf den Personen- und Sachschaden beschränken.<br />
279 KRAMER, <strong>St</strong>romkabelbeschädigungen, S. 132 (Fn. 22), m.w.H.; Richter STEVENSON im<br />
Fall <strong>der</strong> Canadian National Railway v. Norsk Pacific <strong>St</strong>eamship Co. (1992) 91 D.L.R.<br />
(4th) 289, 383, zitiert <strong>nach</strong>: SCHÖNENBERGER, Dritte Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitstheorie, S. 9<br />
(Fn. 60): „Some argue that there is a fundamental distinction between physical damage<br />
(personal and property damage) and pure economic loss and that the latter is less worthy<br />
of protection [...] but I am left unconvinced. Although I am prepared to recognise<br />
that a human being is more important than property and lost expectations of profit, I<br />
fail to see how property and economic losses can be distinguished.“<br />
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