Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
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Kapitel 3: Die Sorgfaltspflichttheorie<br />
Durchschnittsverhaltens berücksichtigt, womit auch WERRO eine Typisierung bei<br />
<strong>der</strong> Ermittlung des Durchschnittsverhaltens vornimmt. 336<br />
2.1.1 Postulat des Ausgleichs <strong>der</strong> Interessen von Schädiger und Geschädigtem<br />
Ein wesentlicher Teil <strong>der</strong> Lehre erachtet den <strong>Begriff</strong> <strong>der</strong> objektiven, sprich durch-<br />
schnittlichen Sorgfalt deshalb als notwendig, da damit <strong>der</strong> Ausgleich entgegenstehen<strong>der</strong><br />
Interessen von Schädiger und Geschädigtem gewährleistet werden soll. 337<br />
Den Interessen des Geschädigten wird dadurch Rechnung getragen, dass er auf<br />
mindestens durchschnittliches Verhalten seiner Mitmenschen vertrauen darf.<br />
Prozessual hat er zudem nur das äusserlich erkennbare (objektive) Verhalten des<br />
Schädigers <strong>nach</strong>zuweisen und nicht den Geisteszustand respektive die Gedankengänge<br />
des Schädigers. 338 Subjektive Entschuldigungsgründe wie z.B. Unaufmerksamkeit<br />
wegen schwerer Trauer, ungenügende Bildung o<strong>der</strong> eingeschränkte geistige<br />
Fähigkeiten 339 des Schädigers muss sich <strong>der</strong> Geschädigte deshalb nicht entgegenhalten<br />
lassen.<br />
Die Interessen des Schädigers werden beim objektivierten Verschuldensbegriff<br />
dadurch berücksichtigt, dass als Massstab das Verhalten eines durchschnittlich<br />
vernünftigen Menschen in <strong>der</strong> konkreten Situation des Schädigers gilt. Die an<br />
einen Fahrradfahrer gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen werden anhand des durchschnittlichen<br />
Verhaltens eines Fahrradfahrers beurteilt. Nicht berücksichtigt wird etwa,<br />
welches Verhalten allfällig gefährdete Fussgänger vom Fahrradfahrer erwarten,<br />
damit sie nicht verletzt werden, bzw. welches Verhalten ein Dritter, <strong>der</strong> dem Verkehrsgeschehen<br />
als Unbeteiligter zuschaut, als angemessen und ausgeglichen erwarten<br />
würde.<br />
336<br />
WERRO, Sorgfaltspflichtverletzung, S. 370.<br />
337<br />
WERRO, Sorgfaltspflichtverletzung, S. 372 f.; SCHWENZER, N 22.20, m.w.H.<br />
338<br />
Vgl. OFTINGER/STARK I, § 5 N 67, 79: STARK spricht sich aus Gründen <strong>der</strong> Praktikabilität<br />
für den objektivierten Verschuldensbegriff aus.<br />
339<br />
Führt die Geistesschwäche jedoch zur Urteilsunfähigkeit, haftet <strong>der</strong> Schädiger nicht aus<br />
<strong>Art</strong>. <strong>41</strong> <strong>OR</strong>, son<strong>der</strong>n allenfalls aus <strong>Art</strong>. 54 <strong>OR</strong>.<br />
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