Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
218<br />
219<br />
220<br />
3 Die Schutznormtheorie<br />
aussetzung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit mehrfach geprüft wird. Dies ist systematisch<br />
und theoretisch unbefriedigend.<br />
Bei <strong>der</strong> Schutznormtheorie hat <strong>der</strong> Anwendungsbereich von Rechtfertigungsgründen<br />
notwendigerweise beschränkt zu bleiben. Rechtfertigungsgründe drängen sich<br />
nur dort auf, wo die Bestimmung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit nicht von einer Interessenabwägung<br />
begleitet ist und deshalb eine <strong>nach</strong>träglich differenziertere Bewertung<br />
<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit nötig wird. Dies dürfte jedoch nur bei den geschriebenen<br />
Schutznormen <strong>der</strong> Fall sein. Ungeschriebene Schutznormen sind durch den<br />
Richter aufgrund <strong>der</strong> konkreten Umstände des Sachverhalts aufzustellen, weshalb<br />
eine weitere Interessenabwägung auf <strong>der</strong> <strong>St</strong>ufe <strong>der</strong> Rechtfertigungsgründe entfällt.<br />
Ist ein Verhalten in einer bestimmten Situation angemessen, besteht kein Bedürfnis,<br />
eine ungeschriebene Schutznorm aufzustellen, weshalb auch eine anschliessende<br />
Rechtfertigung entfällt. 267<br />
3.5 Verhältnis von Verschulden und Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit<br />
3.5.1 <strong>St</strong>ellenwert des Verschuldens bei <strong>der</strong> Schutznormtheorie<br />
Die Schutznormtheorie und <strong>der</strong> objektivierte Verschuldensbegriff vertragen sich<br />
schlecht miteinan<strong>der</strong>, denn sowohl bei <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit als auch beim Verschulden<br />
findet eine Prüfung des Schädigerverhaltens statt. Gelangt bei <strong>der</strong> Prüfung<br />
zudem <strong>der</strong>selbe objektive Massstab zur Anwendung, wäre eine <strong>der</strong> beiden<br />
Haftungsvoraussetzungen überflüssig.<br />
P<strong>OR</strong>TMANN sieht den Unterschied zwischen Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit und Verschulden<br />
darin, dass bei <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit das tatsächliche Verhalten an dem durch<br />
Rechtsnormen abstrakt vorgeschriebenen Verhalten gemessen wird. Auf Elemente<br />
wie die Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des schädigenden Verhaltens wird<br />
dabei keine Rücksicht genommen. Beim Verschulden wird das Verhalten hingegen<br />
am (hypothetischen) Verhalten eines Durchschnittsmenschen in <strong>der</strong> konkreten<br />
Situation gemessen (objektive Sorgfaltspflicht). P<strong>OR</strong>TMANN illustriert dies am<br />
Beispiel des Autofahrers, <strong>der</strong> aufgrund eines defekten Tachometers nicht erkennen<br />
267 ROBERTO, Haftpflichtrecht, N 80.<br />
76