Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
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Kapitel 4: Die Interessentheorie<br />
4.2.4 Unlautere und herabsetzende Werbung<br />
Auf dem Getränkemarkt tritt ein neuer Anbieter auf, <strong>der</strong> Mineralwasser günstiger<br />
liefert als die Konkurrenz. In <strong>der</strong> Folge gelingt es ihm, zahlreiche Kunden zu gewinnen<br />
respektive von <strong>der</strong> Konkurrenz abzuwerben, welche Gewinneinbrüche zu<br />
beklagen hat. Einer dieser Konkurrenten äussert sich deshalb in einem Schreiben<br />
an seine ehemaligen Kunden negativ über den neuen Anbieter und über die Qualität<br />
des von ihm vertriebenen Mineralwassers. In <strong>der</strong> Folge künden einige <strong>der</strong> Kunden<br />
ihre Lieferverträge mit dem neuen Anbieter wie<strong>der</strong> auf und beziehen ihr Mineralwasser<br />
erneut von ihrem bisherigen Lieferanten.<br />
Bei diesem Beispiel lässt sich sowohl auf Seiten des alten Anbieters als auch auf<br />
Seiten des neuen Anbieters das Interesse am Schutz ihrer Vermögensrechte ausmachen,<br />
denn beiden entgeht ein Gewinn durch die Handlung des an<strong>der</strong>en. Wären<br />
keine weiteren Interessen tangiert, müsste das Verhalten bei<strong>der</strong> Anbieter als rechtmässig<br />
gelten, da we<strong>der</strong> die Interessen des einen noch des an<strong>der</strong>en überwiegen.<br />
Indessen ist im vorliegenden Beispiel ein weiteres, öffentliches Interesse zu berücksichtigen.<br />
Wirtschaftlicher Wettbewerb baut zwangsläufig auf <strong>der</strong> Schädigung an<strong>der</strong>er auf.<br />
Was <strong>der</strong> eine erwirtschaftet, entgeht dem an<strong>der</strong>en. Marktanteile werden zulasten<br />
an<strong>der</strong>er Bewerber erobert, Konkurrenten werden unterboten, Kunden werden beund<br />
abgeworben. In weiten Bereichen des wirtschaftlichen Wettbewerbs lassen<br />
sich Profite nur auf Kosten an<strong>der</strong>er Wettbewerber erzielen. Der Erhalt respektive<br />
die Maximierung des eigenen Profits ist bei sämtlichen Marktteilnehmern das<br />
zentrale Interesse. Im wirtschaftlichen Wettbewerb stehen sich somit die Interessen<br />
<strong>der</strong> Konkurrenten an <strong>der</strong> Profitmaximierung gleichberechtigt gegenüber. Hinzu tritt<br />
aber auch ein öffentliches Interesse am wirksamen Wettbewerb. Unser Wirtschaftssystem<br />
baut auf dem Wettbewerb als Mittel zur Allokation knapper Ressourcen<br />
auf. Durch Wettbewerb sollen Ressourcen effektiver verteilt werden, was<br />
tendenziell zu besseren, billigeren und vielfältigeren Produkten führt. Die durch<br />
den Wettbewerb bewirkten Verluste unter Konkurrenten werden dabei als notwendiges<br />
Übel in Kauf genommen. Das Interesse am wirksamen Wettbewerb überwiegt<br />
grundsätzlich die Interessen <strong>der</strong> Konkurrenten, keinen Vermögensschaden<br />
etwa durch entgehenden Gewinn zu erleiden. Erwirtschaften die etablierten Anbie-<br />
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