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Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

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356<br />

2 Definition <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit<br />

tät des Einzelfalls am besten entspricht. So habe <strong>der</strong> Richter sich mit allen Beson<strong>der</strong>heiten<br />

des Tatbestands auseinan<strong>der</strong>zusetzen und dürfe sich nicht – abstrahierend<br />

bzw. regelbildend – von vornherein auf einige wenige Elemente des Falles be-<br />

schränken. 434<br />

Gemäss KRAMER ist jedoch nicht einleuchtend, dass auf dem Gebiet des Richterrechts<br />

zwei prinzipiell unterschiedliche methodische Ansätze beachtet werden, je<br />

<strong>nach</strong>dem, ob das Richterrecht praeter o<strong>der</strong> intra legem zu entwickeln ist. 435 Der<br />

Richter müsse auch das auf <strong>Art</strong>. 4 ZGB gestützte Urteil objektiv begründen und sei<br />

darüber hinaus an das Gleichbehandlungsgebot gebunden. Das Abstellen auf die<br />

Umstände des Einzelfalls bei <strong>der</strong> kasuistischen Methode bedeute nicht, dass <strong>der</strong><br />

Fall in seiner Einmaligkeit schlechthin zu würdigen sei, vielmehr habe <strong>der</strong> Richter<br />

seine Lösung „unter Beachtung aller wesentlichen und nur <strong>der</strong> wesentlichen Beson<strong>der</strong>heiten<br />

zu motivieren“. 436 Um nicht zu riskieren, nur gefühlsmässig, d.h.<br />

<strong>nach</strong> Mitleid, Laune o<strong>der</strong> Fantasie, zu entscheiden, habe <strong>der</strong> Richter die typischen<br />

Elemente herauszuheben, welche geeignet seien, für ähnliche Tatbestände in Betracht<br />

gezogen zu werden. Daher muss <strong>der</strong> Richter auch im Bereich des <strong>Art</strong>. 4 ZGB<br />

verallgemeinerungsfähige Kriterien respektive abstrakte Regeln erarbeiten. Der<br />

französische Gesetzestext verlangt demgemäss auch eine Entscheidung <strong>nach</strong> den<br />

„règles du droit et de l’équité“. 437 Umgekehrt gilt es auch bei einer Entscheidung<br />

<strong>nach</strong> <strong>der</strong> gesetzgeberischen Methode die konkrete Interessenlage und die Einzelheiten<br />

des Sachverhalts zu beurteilen. Auch hier darf <strong>der</strong> Richter nicht a priori<br />

„schematisieren, formalisieren, normieren“, um den Fall unter <strong>der</strong> so gebildeten<br />

generell-abstrakten Norm zu subsumieren. Auch bei <strong>Art</strong>. 1 II ZGB bilden die beson<strong>der</strong>en<br />

Umstände des Einzelfalls die Basis, um die für die Regelbildung relevanten<br />

Umstände herauszuarbeiten.<br />

434 KRAMER, Methodenlehre, S. 2<strong>41</strong>, m.w.H.<br />

435 KRAMER, Methodenlehre, S. 242.<br />

436 KRAMER, Methodenlehre, S. 242 f.; vgl. auch BeK-MEIER-HAYOZ, ZGB 4 N 16 ff.<br />

437 SPR-II-DESCHENAUX, S. 132.<br />

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