Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
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Kapitel 1: Die Subjektive Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitstheorie<br />
höheren Wert hat als das durch die Notstandshandlung verletzte. 58 Bei den gesetz-<br />
lichen Rechtfertigungsgründen steht somit vor allem die Abwägung konkurrieren-<br />
<strong>der</strong> privater Interessen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Der Rechtfertigungsgrund des überwiegenden privaten o<strong>der</strong> öffentlichen Interesses<br />
ist bereits vom <strong>Begriff</strong> her von einer Interessenabwägung begleitet. Hierbei kommen<br />
nicht nur die Interessen des Geschädigten, son<strong>der</strong>n auch die Interessen des<br />
Schädigers, Dritter, aber auch <strong>der</strong> Öffentlichkeit in Frage. 59<br />
Die in <strong>Art</strong>. 28 II ZGB aufgeführten Rechtfertigungsgründe <strong>der</strong> Einwilligung des<br />
Verletzten, die gesetzlichen Rechtfertigungsgründe (Notstand, Notwehr, Selbsthilfe)<br />
und die überwiegenden öffentlichen und privaten Interessen, haben daher<br />
stets eine Interessenabwägung zum Inhalt. 60 Die Rechtfertigungsgründe können<br />
somit auch als Ergebnis einer individuell-konkreten Beurteilung und des Abwägens<br />
<strong>der</strong> durch das schädigende Verhalten tangierten Interessen bezeichnet werden.<br />
61 Die Bestimmung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit erschöpft sich somit weitgehend in<br />
<strong>der</strong> Interessenabwägung durch den Richter. 62 Auch wenn es deshalb keine absoluten,<br />
allgemein gültigen Rechtfertigungsgründe gibt, geht GABRIEL davon aus, dass<br />
es typische Fälle gibt, die fast immer einen Rechtfertigungsgrund darstellen.<br />
Hierzu zählt er etwa den notwendigen medizinischen Eingriff bei einem bewusstlosen<br />
Verletzten. 63<br />
Indem die erfolgsbezogene subjektive Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitstheorie sämtliche Schäden,<br />
auch Vermögensschäden, zunächst als wi<strong>der</strong>rechtlich bezeichnet, schürt sie<br />
die Angst <strong>der</strong> uferlosen Ausweitung <strong>der</strong> Haftung und damit <strong>der</strong> übermässigen Ein-<br />
58<br />
HONSELL, § 5 N 13.<br />
59<br />
GABRIEL, N 337 ff.<br />
60<br />
GABRIEL, N 319.<br />
61<br />
GABRIEL, N 305.<br />
62<br />
Vgl. PERRIG, S. 327: Damit nähert sich die erfolgsbezogene subjektive Wi<strong>der</strong>rechtlichkeitstheorie<br />
dem Ansatz PERRIGS an, <strong>der</strong> die Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit als Ergebnis einer Interessenabwägung<br />
definiert.<br />
63<br />
GABRIEL, N 351.<br />
21<br />
62<br />
63<br />
64