Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
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3 Die Schutznormtheorie<br />
vorsätzliche Schädigung, beschränken. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass bei<br />
<strong>der</strong> Auslegung des Schutzzwecks <strong>der</strong> Norm zugleich <strong>der</strong> Vorsatz geprüft wird. 273<br />
Werden aber bereits bei <strong>der</strong> Auslegung des Schutzzwecks die subjektiven Tatbestandsmerkmale<br />
geprüft, wäre eine erneute Prüfung von Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />
beim Verschulden im Grunde überflüssig. 274 Eine Reduktion des Verschuldens auf<br />
die Prüfung <strong>der</strong> Urteilsfähigkeit ist jedoch ebenfalls problematisch, da nicht alle<br />
Schutznormen, z.B. technische Sicherheitsvorschriften, subjektive Tatbestandsmerkmale<br />
aufweisen.<br />
Es ist unbefriedigend, wenn Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit<br />
respektive im Rahmen des Verschuldens zu prüfen sind, je <strong>nach</strong>dem,<br />
aus welchem Rechtsgebiet eine Schutznorm stammt. Eine Prüfung des Vorsatzes<br />
und <strong>der</strong> Fahrlässigkeit sowohl bei <strong>der</strong> Auslegung des Schutzzwecks als auch beim<br />
Verschulden ist systematisch und theoretisch unerwünscht. Ein Hauptkritikpunkt<br />
gegenüber <strong>der</strong> Schutznormtheorie muss daher lauten, dass sich Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit<br />
und Verschulden schlecht voneinan<strong>der</strong> abgrenzen lassen, da es zu Unklarheiten<br />
und überflüssigen Prüfungsschritten führt. Bei ungeschriebenen Schutznormen<br />
bestehen keine solchen Abgrenzungsschwierigkeiten, zumal sie im Hinblick auf<br />
die spezifischen Anfor<strong>der</strong>ungen des Haftpflichtrechts aufgestellt werden können.<br />
3.6 Zwischenfazit zur Schutznormtheorie<br />
Die Schutznormtheorie ist vom Ansatz her einleuchtend. Dem <strong>Begriff</strong> <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit<br />
kommt die Aufgabe zu, zwischen erlaubten und unerlaubten Schädigungen<br />
zu unterscheiden. Da die Rechtsordnung über weite Bereiche das menschliche<br />
Zusammenleben bereits regelt, kann im Grunde auf diese Regeln verwiesen<br />
werden. Dies ist praktisch, zumal es keinen eigenständigen Katalog von haftpflichtrechtlichen<br />
Regeln des Zusammenlebens braucht, und zudem lässt sich da-<br />
273<br />
Vgl. VON BÜREN, S. 257: VON BÜREN betrachtet den Verstoss gegen objektives Recht<br />
und Verschulden als eins. Er lehnt die dualistische Betrachtung ab, welche zunächst<br />
prüft, ob eine Norm verletzt ist, um anschliessend zu prüfen, ob die Verletzung schuldhaft<br />
erfolgte.<br />
274<br />
HONSELL, § 6 N 21.<br />
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