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Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

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4 Praktische Anwendung <strong>der</strong> Interessentheorie<br />

bezeichnen, würde sich kaum noch ein Passant finden, <strong>der</strong> bereit wäre, eine Weg-<br />

beschreibung abzugeben. Bereits bei <strong>der</strong> geringsten Unsicherheit könnte dem Passanten<br />

Fahrlässigkeit und damit ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.<br />

Ohne auskunftswillige Passanten müsste <strong>der</strong> Geschäftsreisende deshalb herumirren,<br />

bis er einen <strong>St</strong>adtplan o<strong>der</strong> eine Touristeninformation findet, was letztlich<br />

wie<strong>der</strong>um Zeit und Mühe kostet und mit seinem Interesse, rasch an sein Ziel zu<br />

gelangen, unvereinbar ist. Im Vergleich dazu ist das geringe Risiko, möglicherweise<br />

eine falsche Auskunft zu erhalten, tragbar. Bei <strong>der</strong> Interessenabwägung wird<br />

deshalb das Interesse des Ratsuchenden, rasch und unproblematisch eine Auskunft<br />

zu erhalten, das Interesse, keinen Vermögensschaden zu erleiden, überwiegen.<br />

Eine Gefälligkeitsauskunft, auch wenn sie sich als falsch erweist, ist deshalb nicht<br />

wi<strong>der</strong>rechtlich.<br />

Wird indessen eine Auskunft von einer beson<strong>der</strong>en <strong>St</strong>elle wie einer Auskunft respektive<br />

einer Touristeninformation erteilt, präsentiert sich eine an<strong>der</strong>e Interessenlage.<br />

Indem sich <strong>der</strong> Ratsuchende an eine <strong>St</strong>elle wendet, welche sich ausschliesslich<br />

mit <strong>der</strong> Mitteilung von Wegbeschreibungen befasst, möchte er das Risiko einer<br />

falschen Auskunft minimieren und ausschliessen. Damit kommt dem Schutz <strong>der</strong><br />

vermögensrechtlichen Interessen des Ratsuchenden ein höheres Gewicht zu. Eine<br />

falsche Auskunft wäre somit in dieser Konstellation wi<strong>der</strong>rechtlich.<br />

4.2.2 Unwahres Arbeitszeugnis<br />

Eine Bank entlässt einen Mitarbeiter „im gegenseitigen Einvernehmen“, <strong>nach</strong>dem<br />

eine Veruntreuung des Mitarbeiters entdeckt worden ist. Im <strong>nach</strong>träglich ausgestellten<br />

Arbeitszeugnis wird dies jedoch mit keinem Wort erwähnt, vielmehr wird<br />

das Verhalten des Mitarbeiters als stets einwandfrei bezeichnet. Aufgrund des<br />

guten Arbeitszeugnisses findet <strong>der</strong> Mitarbeiter rasch eine neue <strong>St</strong>elle bei einer<br />

an<strong>der</strong>en Bank, wo er zum finanziellen Nachteil <strong>der</strong> Bank erneut Gel<strong>der</strong> veruntreut.<br />

Die entlassende Bank hat ein Interesse, ihren fehlbaren Mitarbeiter rasch, ohne<br />

Aufsehen und weitere Beeinträchtigung ihres Rufs zu entlassen, <strong>der</strong> Mitarbeiter hat<br />

ein Interesse, nicht am beruflichen Fortkommen gehin<strong>der</strong>t zu werden, und die<br />

anstellende Bank hat ein Interesse, auf den Inhalt des Arbeitszeugnisses vertrauen<br />

zu dürfen und dadurch keinen Vermögensschaden zu erleiden. Arbeitszeugnisse<br />

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