Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen
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Kapitel 4: Die Interessentheorie<br />
b) Massstab des Vorsatzes respektive <strong>der</strong> Absicht<br />
Lehre und Rechtsprechung unterscheiden verschiedene Formen des Vorsatzes, so<br />
z.B. die böswillige Absicht, den einfachen Vorsatz und den Eventualvorsatz. Bei<br />
<strong>der</strong> böswilligen Absicht ist die rechtswidrige Schädigung Zweck <strong>der</strong> Handlung,<br />
beim einfachen Vorsatz ist die Schädigung bloss notwendige Nebenfolge einer<br />
an<strong>der</strong>n Handlung und beim Eventualvorsatz ist <strong>der</strong> Schadenseintritt ungewiss, wird<br />
jedoch bewusst in Kauf genommen. 546 Nach STARK unterscheiden sich deshalb<br />
Absicht und direkter Vorsatz durch die <strong>Art</strong> des Wollens des als sicher vorausgesehenen<br />
Erfolges und diese wie<strong>der</strong>um vom Eventualvorsatz durch die grössere Sicherheit<br />
<strong>der</strong> Voraussicht des Erfolges. 547<br />
<strong>Art</strong>. <strong>41</strong> I <strong>OR</strong> verzichtet selbst auf eine Unterscheidung und verwendet nur den<br />
<strong>Begriff</strong> „Absicht“, welcher aber nur alle drei Vorsatzarten meinen kann. 548 Im<br />
Gegensatz zum <strong>St</strong>rafrecht besteht für das Haftpflichtrecht keine Notwendigkeit,<br />
den Vorsatz weiter zu differenzieren. We<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Schadenersatzbemessung noch<br />
im Versicherungsrecht noch im Rahmen <strong>der</strong> Schadensteilung wegen Mitverschuldens<br />
spielt es eine Rolle, ob <strong>der</strong> Schädiger mit „böswilliger“ Absicht, direktem<br />
Vorsatz o<strong>der</strong> nur eventualvorsätzlich gehandelt hat. Ausschlaggebend ist nur <strong>der</strong><br />
Vorsatz per se. 549<br />
Die Unterscheidung <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Art</strong> des Wollens verträgt sich nicht mit dem hier<br />
dargestellten Verschuldenskonzept. Als Kriterium lässt sich die <strong>Art</strong> des Wollens<br />
we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Voraussehbarkeit noch <strong>der</strong> Vermeidbarkeit zuordnen. Vielmehr würde<br />
die Berücksichtigung des Wollens dem Verschulden eine wertende Komponente<br />
zubilligen. Gemäss <strong>der</strong> hier vertretenen Auffassung erschöpft sich <strong>der</strong> Vorsatz in<br />
<strong>der</strong> Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des Kausalablaufs. Eine weitere Unterteilung<br />
des Vorsatzes erübrigt sich.<br />
546 BeK-BREHM, <strong>OR</strong> <strong>41</strong> N 192 ff.<br />
547 OFTINGER/STARK I, § 5 N 46.<br />
548 OFTINGER/STARK I, § 5 N 46 (Fn. 43).<br />
549 ROBERTO, Haftpflichtrecht, N 222, 236; HONSELL, § 6 N 30.<br />
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