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Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

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280<br />

281<br />

2 Objektive Sorgfaltspflichtverletzung als problematisches Kriterium <strong>der</strong><br />

100<br />

Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit<br />

Wie <strong>nach</strong>folgend aufgezeigt wird, lässt sich jedoch bereits aus systematischen<br />

Überlegungen heraus mit dem <strong>Begriff</strong> <strong>der</strong> durchschnittlichen Sorgfalt (noch) kein<br />

angemessener Ausgleich <strong>der</strong> Interessen zwischen Schädiger und Geschädigtem<br />

erreichen.<br />

2.1.2 Notwendigkeit einer übergeordneten Wertehierarchie<br />

Die Berücksichtigung des Durchschnittsverhaltens als Massstab für die Grenze<br />

zwischen Sorgfalt und Unsorgfalt überzeugt nur, wenn dieses Verhalten dem Werturteil<br />

einer grossen Zahl von Personen entspricht und damit die Annahme zulässt,<br />

dass es sachlich gerechtfertigt sei. Dies trifft aber nur zu, wenn die richtige Hierarchie<br />

<strong>der</strong> Werte gilt. Wo die sachliche Rechtfertigung trotz vieler übereinstimmen<strong>der</strong><br />

Beurteilungen fehlt, ist nicht auf den Durchschnitt abzustellen. 340 Wenn z.B.<br />

die Mehrheit <strong>der</strong> Autofahrer auf einer <strong>St</strong>recke mit überhöhter Geschwindigkeit<br />

unterwegs ist, so ist damit die Überschreitung <strong>der</strong> Höchstgeschwindigkeit keineswegs<br />

gerechtfertigt.<br />

Das Durchschnittsverhalten ist nur dann als Massstab geeignet, wenn <strong>der</strong> durchschnittlich<br />

vernünftige Mensch bei seinem Verhalten die Interessen von Schädiger<br />

und Geschädigtem gleichermassen berücksichtigt. Versinnbildlicht wird dies im<br />

moralischen Appell: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem<br />

an<strong>der</strong>n zu!“ 3<strong>41</strong> Wenn man aber bereits mit dem Bild eines hypothetischen Durchschnittsmenschen<br />

hantiert, so dürfte das Bild des egoistisch und eigennützig handelnden<br />

homo oeconomicus wohl eher heranzuziehen sein als jenes des altruistischen<br />

Wohltäters. 342<br />

340 OFTINGER/STARK I, § 5 N 83.<br />

3<strong>41</strong><br />

In abgewandelter Form findet sich diese Maxime in <strong>der</strong> Bibel wie<strong>der</strong>: „Alles, was ihr<br />

für euch von den Menschen erwartet, das tut ihnen auch.“ (Die Bibel, Neues Testament,<br />

Matthäus 7, 12); „Seid zu den Leuten genauso, wie ihr auch von ihnen behandelt<br />

werden wollt.“ (Die Bibel, Neues Testament, Lukas 6, 31); „Was <strong>der</strong> Mensch sät, das<br />

wird er ernten.“ (Die Bibel, Neues Testament, Galater, 6, 7b).<br />

342<br />

Vgl. HOLMES, S. 144: „The true explanation of the reference of liability to a moral<br />

standard [...] is not that it is for the purpose of improving men’s hearts, but that it is to<br />

give a man a fair chance to avoid doing the harm before he is held responsible for it.“

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