Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

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510 511 Die praktische Anwendung der Interessentheorie zeigt, dass im Allgemeinen Haftpflichtfälle mit der Interessentheorie nicht wesentlich anders beurteilt werden als bisher durch die objektive Widerrechtlichkeitstheorie. Die Interessentheorie bietet indessen theoretische und systematische Vorteile. Wo die objektive Widerrechtlichkeitstheorie die Unterscheidung zwischen reinen Vermögensschäden und Verletzungen absoluter Rechte und zwischen aktiver und passiver Schädigung voraussetzt, kommt die Interessentheorie ohne diese Unterscheidung aus. Wo bis anhin Haftungslücken nur über neue Haftungsgrundlagen respektive rechtliche Konstruktionen wie die Vertrauenshaftung gefüllt werden konnten, erlaubt die Interessentheorie, sämtliche Schadensarten über das Deliktsrecht zu erfassen, sofern die dadurch tangierten Interessen für eine Haftung sprechen. Die hier vorgestellte Interessentheorie bietet auch Hand zur klaren Abgrenzung von Widerrechtlichkeit und Verschulden. Indem sich die Widerrechtlichkeit nunmehr aus der Interessenabwägung des Richters aus objektiver Sicht bestimmt, lässt sich das Verschulden auf die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Kausalablaufs und des Schadenseintritts aus der Sicht des Schädigers zurückführen. Bei der Widerrechtlichkeit werden damit einzig das Verhalten und die davon betroffenen Interessen beurteilt, während beim Verschulden die Person des Schädigers und seine persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu beurteilen sind. Dem möglichen Einwand gegenüber dem hier vertretenen Widerrechtlichkeitsbegriff, dass er Konturen vermissen lässt und damit seine haftungsbegrenzende Funktion nicht wahrnehmen kann, 586 ist zu entgegnen, dass es bei der Interessentheorie die Aufgabe des Richters ist, dem Begriff der Widerrechtlichkeit bei der Urteilsfällung die nötigen Konturen zu verschaffen. Dies führt zur generellen Frage, wer besser in der Lage ist, ein gerechtes Urteil zu gewährleisten, der Gesetzgeber anhand generell-abstrakter Haftungskriterien, die Lehre mit dogmatischen Haftungskonstruktionen oder der Richter durch Abwägung der Interessen und Aufstellen individuell-konkreter Verhaltenspflichten. Meines Erachtens ist dies demjenigen, 586 Vgl. die entsprechende Kritik zum Vorentwurf eines revidierten Haftpflichtrechts respektive an der positivrechtlichen Umschreibung des Widerrechtlichkeitsbegriffs unter dem Hinweis auf das Prinzip von Treu und Glauben, in: ZUSAMMENSTELLUNG DER VERNEHMLASSUNGEN, S. 201 ff. 192
Schlusswort der dem Sachverhalt am nächsten ist, dem Richter, am ehesten zuzutrauen, im Sinne von LORD DENNING: „Someone must be trusted; let it be the judges.“ 587 Durch das Aufstellen allgemeiner Kriterien und durch die fallgruppenweise Entwicklung typischer Interessenlagen wird sodann dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung getragen. 587 Vgl. LORD DENNING, What next in Law, London 1982, S. 330, zitiert nach: KRAMER, Sentenzen, S. 98. 193
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Einleitung Kapitel 2 setzt sich mit
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