07.10.2013 Aufrufe

Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

Begriff der Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR - Universität St.Gallen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

464<br />

465<br />

466<br />

4 Praktische Anwendung <strong>der</strong> Interessentheorie<br />

Das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Einwilligung des Patienten ist auch notwendig, wenn eine<br />

risikoreiche Operation mit unsicherem Ausgang durchgeführt werden soll. Nur<br />

wenn eine bestimmte Aussicht auf Heilung besteht, lässt sich aus objektiver Sicht<br />

feststellen, dass mit <strong>der</strong> Operation das Interesse auf Schutz <strong>der</strong> körperlichen Integrität<br />

durch die Aussicht auf Heilung aufgewogen wird. Besteht indessen nur geringe<br />

Aussicht auf Erfolg, ist dies nicht <strong>der</strong> Fall. Hier hat <strong>der</strong> Patient durch Einwilligung<br />

das zusätzliche Risiko <strong>der</strong> Operation auf sich zu nehmen und im selben<br />

Mass auf den Schutz seiner körperlichen Integrität zu verzichten. Um auf das Beispiel<br />

zurückzukommen, wäre die Durchführung einer risikoreichen o<strong>der</strong> experimentellen<br />

Operation an einem bewusstlosen Patienten wi<strong>der</strong>rechtlich, da keine<br />

Einwilligung vorliegt.<br />

Auch bei ärztlichen Eingriffen ist die Interessenlage meist ähnlich. Es lassen sich<br />

deshalb gewisse Verhaltenspflichten generalisieren. Der Arzt hat bei seiner Tätigkeit<br />

stets die Regeln <strong>der</strong> ärztlichen Kunst einzuhalten, da erst dann die Erfolgsbzw.<br />

Heilungschancen gegeben sind. Überwiegen die Erfolgs- und die Heilungschancen<br />

bei einer bestimmten Operation, ist aus Sicht des Haftpflichtrechts die<br />

Vornahme <strong>der</strong> Operation grundsätzlich zulässig. Bei risikoreichen Operationen<br />

o<strong>der</strong> rein kosmetischen Eingriffen muss <strong>der</strong> Arzt aber zudem die Einwilligung des<br />

Patienten einholen, denn nur dann überwiegen ästhetische o<strong>der</strong> kosmetische Interessen,<br />

respektive nur so lässt sich das erhöhte Operationsrisiko auf den Patienten<br />

abwälzen.<br />

4.1.3 Unglückliches Aufstehen von einem Barhocker<br />

Beim sogenannten „Barhockerfall“ hatte das Basler Appellationsgericht die Problematik<br />

von Reflexhandlungen zu beurteilen. 566 Die Klägerin wurde geschädigt,<br />

als die neben ihr sitzende Beklagte aufstand, stürzte und sich an <strong>der</strong> Klägerin aus<br />

Reflex festhielt und zu Boden zog. Die Klägerin fiel dabei so unglücklich, dass sie<br />

566 Urteil des AppGer BS vom 5. November 1999 in Sachen H.G. gegen S.Z.-L. abgedruckt<br />

in: BJM 2001, S. 296–301.<br />

172

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!