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WO EIN WILLE – DA EIN WEG - GLE International

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Deutungen der Spiritualität aus<br />

existenzanalytischer Sicht<br />

Symposium: Theologie und Seelsorge<br />

Michael Utsch<br />

Frankls sinnorientierter Ansatz wird sowohl in der Psychotherapie<br />

und psychosozialen Beratung als auch der Seelsorge<br />

unterschiedlich verstanden und aufgegriffen. VE Frankl selber<br />

war um eine säuberliche Trennung zwischen Psychotherapie<br />

und Seelsorge bemüht. Er betonte, dass sich die Theologie mit<br />

der Offenbarung von Gottes Heilhandeln beschäftige, während<br />

die Psychologie lediglich Aussagen über die menschliche<br />

Rezeption dieser Erfahrung machen könne. Argumentationsgrundlage<br />

war seine philosophisch begründete Personlehre.<br />

Im beraterisch-therapeutischen Umgang mit Spiritualität kommen<br />

häufig Missverständnisse vor. Diese können vermieden<br />

werden, wenn man sich über das eigene Menschen- und<br />

Weltbild klar wird. Manche Frankl-Schülerinnen und -Schüler<br />

füllen zentrale Konzepte wie Geistigkeit, Selbsttranszendenz<br />

und Sinnfindung anders als Frankl und kommen im Umgang<br />

mit Spiritualität deswegen zu anderen Ergebnissen. Im Beitrag<br />

werden zwei Sichtweisen gegenüber gestellt. Während einige<br />

die Existenzanalyse und Logotherapie zur Humanistischen<br />

Psychologie zählen, verstehen andere Frankl als Begründer einer<br />

transpersonalen Psychotherapie (Jung, Assagioli, Wilber).<br />

Im Beitrag wird dieser Position widersprochen, weil Frankl sich<br />

ausdrücklich von dem als göttlich aufgefassten Archetypen<br />

des Unbewussten (Jung) abgrenzte. Nach Frankls Einschätzung<br />

würde die Religion dadurch den Charakter der freien<br />

Entscheidung und damit ihre Würde verlieren. Bei Frankl ist der<br />

unbewusste Gott kein Archetypus im kollektiven Unbewussten,<br />

sondern eine persönliche, ich-hafte Entscheidung. Auf Konsequenzen<br />

in Therapie und Beratung wird hingewiesen.<br />

Schlüsselwörter: existenzieller Sinn, Spiritualität, VE Frankl<br />

Interpretations of spirituality from an existential analytical<br />

perspective<br />

The meaning oriented approach of Frankl is diversely conceived<br />

and implemented in psychotherapy, in psychosocial<br />

counseling as well as in pastoral care. Frankl himself made an<br />

effort to draw a clear line between psychotherapy and pastoral<br />

care. He emphasized, that theology dealt with the revelation<br />

of Gods salvific activity, whilst psychology can solely make<br />

statements about the human reception of these experiences.<br />

The basis of argumentation was his philosophically grounded<br />

theory of the person.<br />

More and more frequently misunderstandings occur when<br />

handling spirituality in counseling and therapy. This can be prevented<br />

by clarifying one’s own conception of man and the<br />

world. Some students of Frankl fill central concepts such as intellectuality,<br />

self-transcendence, and quest for meaning other<br />

than Frankl and hence come to different conclusions concerning<br />

spirituality. Two points of view are confronted in this article.<br />

While some consider Existential Analysis and Logotherapy<br />

as belonging to humanistic psychology, others see Frankl as<br />

the founder of a transpersonal psychotherapy (Jung, Assagioli,<br />

Wilber). This position is contradicted in the article, since<br />

Frankl distanced himself from perceiving the archetypes of the<br />

unconscious (Jung) as divine. He assumes that religion would<br />

thus lose its freedom of choice character and therefore its dignity<br />

as well. To Frankl, the unconscious god is no archetype in<br />

the collective unconscious, but a personal, self-near decision.<br />

Consequences are pointed out for therapy and counseling.<br />

Keywords: existential meaning, spirituality, Viktor Emil Frankl<br />

Vor genau 50 Jahren <strong>–</strong> im Jahr 1962 <strong>–</strong> wurde in den USA<br />

die Gesellschaft für humanistische Psychologie ins Leben<br />

gerufen. Viele Jahrzehnte später <strong>–</strong> nämlich erst Ende 2010<br />

<strong>–</strong> wurde in Deutschland die „Arbeitsgemeinschaft humanistische<br />

Psychotherapie“ (AGHPT) gegründet. Dieser Zusammenschluss<br />

von zurzeit 10 Verbänden und kompetenten<br />

Einzelpersonen der Humanistischen Psychotherapie hat<br />

sich zum Ziel gesetzt, die Humanistische Orientierung der<br />

Psychotherapie zu stärken und zu verbreiten. Zwei dieser<br />

10 Verbände sind Viktor Frankl verpflichtet <strong>–</strong> die <strong>GLE</strong>-D<br />

und die D<strong>GLE</strong>. In Deutschland bereitet die AGHPT einen<br />

Antrag an den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie<br />

(WBP) auf wissenschaftliche Anerkennung der Humanistischen<br />

Psychotherapie vor (Kriz 2012).<br />

Bedeutung und Stellenwert der spirituellen Dimension<br />

sind in der Humanistischen Psychotherapie nicht eindeutig<br />

festgelegt (Elkins 2005). In Abraham Maslows bekannter<br />

Bedürfnishierarchie sind Wachstumsbedürfnisse unter anderem<br />

auf Glück, Erfüllung und Gipfelerfahrungen gerichtet.<br />

Gipfelerfahrungen verstand Maslow (1970, XII) als „säkularisierte<br />

religiöse, mystische oder transzendente Erfahrungen.“<br />

Damit trug Maslow zu einer Säkularisierung der<br />

religiösen Erfahrung bei, die in den Industrienationen traditionell<br />

christlich geprägt ist.<br />

Besonderheit der Existenzanalyse als<br />

humanistisches Verfahren<br />

Frankls Ansatz ist aufgrund seiner Fokussierung auf die<br />

Sinnorientierung für die Wahrnehmung und Bearbeitung<br />

spiritueller Bedürfnisse offen. Große Aufmerksamkeit widmete<br />

er einem unverkürzten Menschenbild. Er wurde nicht<br />

müde zu betonen, wie wichtig es sei, die Transzendenz in<br />

die Wesenslehre vom Menschen mit einzuschließen: „[…]<br />

in der Analyse der Existenz [kommen wir] ohne [den] Einbezug<br />

der Transzendenz nicht aus […]“ (Frankl 1984, 220).<br />

Frankl benennt deutlich zwei Gefahren, die bei der Ignoranz<br />

der Geistigkeit des Menschen, also seiner spirituellen<br />

Dimension, drohen: Anthropologismus und Existenzialismus.<br />

Sobald die Anthropologie den Menschen ausschließlich<br />

von ihm selbst her deute und ihn zum eigenen Maßstab<br />

EXISTENZANALYSE 29/2/2012 109

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