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WO EIN WILLE – DA EIN WEG - GLE International

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Buchbesprechung<br />

Konfigurationen von Erinnerungen, kognitiven Stilen und<br />

Emotionen hat, gesehen werden ... „und daher existieren<br />

Persönlichkeitsanteile nicht unabhängig voneinander, sondern<br />

lediglich als verschiedene potentielle Selbstzustände“,<br />

wie auch Barack u. Comstock 1996 ausführen (und wie man<br />

es auch aus der Sicht der ExistenzanalytikerIn beschreiben<br />

würde). Weiters stellt er theoretische Überlegungen auch aus<br />

der Sicht der Persönlichkeitstheorie und vom Konzept des<br />

Selbst her kommend an, wobei diese Ausführungen in Anbetracht<br />

der Schwierigkeit des Themas eher kurz gefasst erscheinen<br />

<strong>–</strong> zumal ja das Verständnis all dieser Begriffe eine<br />

große schulenspezifische Unterschiedlichkeit aufweist.<br />

Bei den Beiträgen der psychodynamischen Psychotherapie<br />

zu Behandlung der DIS („Schlüsselaufgaben“) nennt<br />

Kluft auch unspezifische Wirkelemente, die m.E. nicht nur<br />

für die psychodynamische Therapie, sondern auch für fast<br />

alle therapeutischen Schulen gelten wie z. B. die Wächterfunktion<br />

des Therapeuten (den gesamten Menschen im Kopf<br />

behalten); die Schaffung einer internalisierten Bindungsbasis;<br />

der Aufbau der Fähigkeit zur Affekttoleranz etc.<br />

Im zweiten Schritt der Bestandsaufnahme wendet er sich<br />

den integrationsfördernden Haltungen und Interventionen<br />

der psychodynamischen Therapie zu:<br />

Allgemeinen Haltungen fügt Kluft ausgewählte Aspekte<br />

der psychodynamischen DIS-Therapie an und unterlegt diese<br />

Interventionen und integrierten Techniken mit einem Fallbeispiel.<br />

Hier gelingt ihm eine gute Darstellung der wesentlichen<br />

Elemente der spezifischen psychodynamischen Therapie<br />

bei schweren dissoziativen Störungen:<br />

Interessant ist seine Beschreibung der „Drei Welten“ der<br />

DIS-Patienten bzw. der „dritten Realität“ der DIS-Pat:<br />

Die historische Realität (so genau wie sie beobachtet<br />

werden kann), die durch Fantasien, Zusatzinformationen,<br />

durch nach dem Ereignis liegende Einflüsse und Ähnliches<br />

verzerrte Realität und die durch Interaktionen und das wechselseitige<br />

Aufeinanderwirken der Persönlichkeitsanteile verzerrte<br />

Realität (die sog. Dritte Realität, die DIS-Pat. eigen<br />

ist). Diese Sicht trägt ein wenig klärend zur ewigen Debatte<br />

über die Glaubhaftigkeit der Erinnerungen der Pat. bei.<br />

Im Kapitel „Charakteristische Übertragung und Gegenübertragung<br />

bei DIS“ gibt Kluft eine wichtige Zusammenfassung<br />

der verschiedenen, bei DIS spezifischen Übertragungen.<br />

Hier vor allem erwähnenswert, weil ansonsten<br />

nicht so deutlich genannt, ist die quasi positive Übertragung,<br />

hinter der eine negative Übertragung steht, deren<br />

Basis die unterwürfige Beziehung zu einem Missbraucher<br />

ist (der implizit oder explizit verlangte, geliebt zu werden).<br />

Hilfreich ist auch die Zusammenfassung der Gegenübertragungsmuster.<br />

Michaela Huber: „Täterloyalität und Täteridentifikation<br />

verändern“<br />

Der Artikel informiert sehr anschaulich darüber, wie sich<br />

kindliche Opfer von familiärer Gewalt dem Täter anpassen<br />

(„Täteranteile internalisieren“) und so eine Täterloyalität<br />

entwickeln können bzw. bisweilen selbst Tätereigenschaften<br />

oder (partielles) Täterverhalten zeigen. Huber beschreibt<br />

anhand von konkreten Beispielen, (äußerst hilfreich) die<br />

psychodynamischen Vorgänge, die Auswirkungen und insbesondere<br />

die Problematik, die sich aus Täterloyalitäten bei<br />

gerichtlichem Vorgehen ergeben. Des Weiteren geht sie auf<br />

die Schwierigkeiten im Erkennen („Dissoziation verhindert<br />

Erkenntnis“) ein und wendet sich dann wichtigen Themen<br />

in der Behandlung von Täterloyalitäten zu. Darüber hinaus<br />

betont sie die Notwendigkeit des Ausstieges aus zerstörerischen<br />

Beziehungen (die m.E. zumindest für die Zeit der<br />

Behandlung unabdingbar ist), der Unterstützung durch geschulte<br />

Helfer und geht dann auf die wichtigsten Punkte in<br />

der Therapie ein, wobei sie hier vor allem auf die typischen<br />

Übertragungs- und Gegenübertragungsreaktionen bei Täterloyalität<br />

und Täteridentifikationen eingeht.<br />

Catherine G. Fine’s Beitrag zum „Zielorientierten Integrationsmodell<br />

<strong>–</strong> ein kognitives Therapiemodell für die Behandlung<br />

der dissoziativen Identitätsstörung“ beginnt mit<br />

der Beschreibung der Grundannahmen über die DIS <strong>–</strong> und<br />

dies mit einem beeindruckenden Satz: Das zielorientierte<br />

Integrationsmodell basiert auf einem psychodynamisch informierten,<br />

modifizierten, kognitiven Therapiemodul (vgl.<br />

Fine 1991).<br />

Dann formuliert Fine sehr klar die Ausgangsposition:<br />

Die Grundidee für die therapeutische Arbeit liegt in der Erkenntnis,<br />

dass eine Therapie umso mehr Sicherheit, Vorhersehbarkeit<br />

und Konsistenz schafft, je strukturierter und<br />

zielgerichteter sie angelegt ist.<br />

DIS wird als eine Störung auf der Grundlage von überwältigenden<br />

und überwältigten Affekten gesehen. Es handelt<br />

sich nicht um eine Störung verzerrter Kognitionen. Die<br />

Annäherung von der kognitiven Perspektive statt von der<br />

affektiven her dient daher der Sicherheit und dem Containement<br />

für die DIS-Pat.<br />

Das zielorientierte Integrationsmodell kann als Aneinanderreihung<br />

mehrerer zeitlich begrenzter kognitiver Therapien<br />

über verschiedene Persönlichkeitsanteile, Affekte<br />

und Themen hinweg verstanden werden. Die besondere<br />

Aufmerksamkeit gilt bei diesem Modell den traumabedingten<br />

kognitiv-affektiven Verzerrungen und dysfunktionalen<br />

Schemata (Fine 1990), die nicht nur als Anker für die<br />

verschiedenen dissoziativen Zustände und Alternativpersönlichkeiten<br />

dienen, sondern auch für deren Aufrechterhaltung,<br />

indem sie über die aktuelle Wirklichkeit falsche<br />

Annahmen stützen.<br />

Das zielorientierte Integrationsmodell geht weiters davon<br />

aus, dass es notwendig ist, das Denken der verschiedenen<br />

Teilpersönlichkeiten zu restrukturieren um sie dadurch auf die<br />

schwere Arbeit der Traumasynthese und -verarbeitung vorzubereiten.<br />

Weiters wird in dem Modell davon ausgegangen, dass<br />

ohne eine erfolgreiche Traumabearbeitung eine weiterreichende<br />

Lockerung der amnestischen Barrieren der Teilpersönlichkeiten<br />

sowie deren Vereinigung zu einer Einheit<br />

nicht möglich sind.<br />

Fine geht dann auf die spezifischen kognitiven Verzerrungen<br />

der Realität bei DIS-Pat. ein. Diese Auflistung<br />

scheint zwar nicht spezifisch für traumatisierte Pat., ist aber<br />

sehr wertvoll im Sinne der Aufmerksamkeitsschärfung für<br />

kognitive Verzerrungen.<br />

Im dritten Teil stellt Fine dann sehr strukturiert ihr phasenspezifisches<br />

therapeutisches Vorgehen vor <strong>–</strong> sehr gut<br />

zum „Nachgehen“ geeignet:<br />

EXISTENZANALYSE 29/2/2012 115

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