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WO EIN WILLE – DA EIN WEG - GLE International

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Symposium: Pädagogik<br />

schwieriger Schüler und psychischer Belastung verloren geht.<br />

Als Folge werden Überforderung und Belastung genannt.<br />

Darüber hinaus beklagen etliche Lehrer die Respektlosigkeit,<br />

Regelmissachtung und fehlende Motivation ihrer Schüler.<br />

Der Praxisschock am Anfang des Lehrerdaseins, Verhaltensprobleme<br />

der Schüler und vielfältige Anforderungen<br />

sorgen für hohe Belastungen, die ein freies Erleben, eine authentische<br />

Stellungnahme und verantwortliches Handeln konterkarieren.<br />

Sind die dargestellten Probleme seitens der Lehrer<br />

bereits Grund für Blockaden in der Umsetzung existentiellen<br />

Unterrichtens, so bietet das biografische Geworden-Sein der<br />

Schüler weitere Gründe für Blockaden, die eine personal ausgerichtete<br />

Unterrichtsgestaltung und -umsetzung erschweren.<br />

Dennoch ist es aus Sicht der Existenzanalyse unverzichtbar,<br />

die Bedingungen existentiellen Unterrichtens zu klären,<br />

um auf dieser Basis eine Grundlage anzubieten, die den<br />

Schülern im Unterricht aus der Begegnung und Auseinandersetzung<br />

mit dem Lerngegenstand ein Gespür für persönlich<br />

Wertvolles erlaubt, um daraus sebsttranszendente Berührungsmöglichkeiten<br />

in der Welt zu finden und zu vollziehen.<br />

Insofern ist zunächst die Frage zu klären, wie eine sinnorientierte<br />

Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand aussieht<br />

und welche Rahmenbedingungen für den Unterricht dafür<br />

zu schaffen sind.<br />

Sinnorientierte Auseinandersetzung mit<br />

dem Lerngegenstand<br />

Nach Frankl ist der Wille zum Sinn die bedeutsamste<br />

Motivation (Frankl 1996), die konsequent in der Anwendung<br />

für den pädagogischen Bereich in der Unterrichtsgestaltung<br />

didaktisch und methodisch zu berücksichtigen ist. Die sinnorientierte<br />

Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand orientiert<br />

sich an den Bedingungen existentiellen Lebens (Längle<br />

2009b), so dass im Unterrichts- bzw. Lernprozess ein freies<br />

Erleben, eine authentische Stellungnahme sowie eigenverantwortliches<br />

Handeln für die Personen, die am diesem Prozess<br />

beteiligt sind, personal erfahrbar sein muss. Dazu ist ein personaler<br />

Austausch mit dem Thema einer Unterrichtsstunde<br />

oder einer Unterrichtsreihe sowie mit den Anderen (Mitschülern,<br />

Lehrern) nötig.<br />

Das Thema bietet Möglichkeiten des Handelns und Einwickelns<br />

der individuellen Entwicklungspotentiale, indem<br />

es jeden Einzelnen dazu einlädt, das Gesollte zu finden und<br />

zu tun. Die in diesem Prozess angesprochenen Werdenspotentiale<br />

bilden im Vollzug des Handelns, im Tun des Gesollten<br />

sowie im Austausch mit dem Unterrichtsthema und<br />

den anderen am Prozess Beteiligten Gelegenheiten zu einer<br />

personalen Stellungnahme.<br />

Die Grundlage dieses Prozesses bilden die Werte der<br />

Schüler selbst, aus denen sich Entwicklungspotentiale sowohl<br />

für den Unterricht als auch für eine selbst-transzendente Fokussierung<br />

auf die eigene Zukunft, die der Schüler als für sich<br />

sinnvoll erlebt, ergeben.<br />

Die Jugendlichen der Übergangsphase (Strauch 2008,<br />

38-56) befinden sich noch in einer Selbstfindungsphase für<br />

den weiteren Lebensweg, so dass die Auseinandersetzung<br />

mit dem Weltpol als Gefäß potentieller Werte vielfältige Anregungen<br />

geben kann. Diesen bietet existentieller Unterricht<br />

immanent an. Die von den Jugendlichen bis dahin im Weltpol<br />

gefundenen Werte bewirken in der Aktualisierung während<br />

des Lernprozesses erst, dass der Sinn des Ganzen im Lernprozess<br />

erlebt wird.<br />

Diese Aktualisierung verspricht eine wesentliche Gelingensvoraussetzung<br />

für existentiell gestalteten Unterricht zu<br />

sein, da es dem Schüler nunmehr möglich ist, in einer personalen<br />

Stellungnahme den Kontext des Lerngegenstandes zu<br />

sehen und wertzuschätzen.<br />

Allerdings ist der Schüler gleichsam um das Ziel eines Abschlusses<br />

willen gefordert, die vermeintliche Leere in einem<br />

Fach, das er gar nicht verstehen kann und an dem er auch kein<br />

Interesse hat <strong>–</strong> für viele Schüler trifft das zum Beispiel für<br />

das Fach Mathematik zu <strong>–</strong> , auszuhalten. Hier ist Hilfe und<br />

Bestärkung zum Beispiel seitens des Lehrers gefragt, diese<br />

Situation in Demut vor dem Größeren im Leben, zu dem er<br />

gerade keinen Bezug und auch kein Verständnis finden kann,<br />

auszuhalten.<br />

Die Basis für eine sinnorientierte Auseinandersetzung<br />

mit dem Unterrichtsthema bildet der innere Dialog, mit dem<br />

der Person-Pol aus existentieller Sicht angesprochen ist. Der<br />

Schüler braucht den (Frei-)Raum, der sowohl zeitlich als auch<br />

räumlich gemeint ist, um seine Emotionalität zum Thema und<br />

damit sich selbst spüren zu können. In der dabei wirkenden<br />

primären Emotion nimmt er Kontakt zu sich selbst auf und<br />

wird auf weitere Beziehungsaufnahmen vorbereitet. Hat er<br />

genügend Raum, um sich selbst in Beziehung zu dem ihm<br />

dargebotenen Lerngegenstand zu bringen, gelingt ihm eine<br />

personale Stellungnahme, die seine weiteren Lernanstrengungen<br />

bestimmen wird.<br />

So kann er sich auf der Basis des eigenen Spürens positionieren,<br />

vielleicht aber auch vom Lerngegenstand personal abgrenzen.<br />

Für den Unterrichtsverlauf und den Lernprozess des<br />

einzelnen Schülers ist es hilfreich, wenn der Schüler affektiv<br />

wahrgenommene Emotionen einbringt und Betroffenheit<br />

auszudrücken in der Lage ist. In dieser Situation entsteht im<br />

Unterricht und Lernprozess ein hohes Maß an Lebendigkeit.<br />

Aber auch in Fächern, die ihm nicht liegen und zu denen sich<br />

für ihn kein Zugang finden lässt, ist eine personale Stellungnahme<br />

des Tragens der Schwere dieser Rahmenbedingungen<br />

seines Lernumfeldes unverzichtbar.<br />

Das Einlassen auf ein Unterrichtsthema eröffnet dem<br />

Schüler Anteil am Weltdialog, die ihn Anteil am vorhandenen<br />

Sinnpol nehmen lässt. Diesen Schritt geht der Jugendliche<br />

in der Fähigkeit zur Selbstdistanz, als Überschreiten des Gefangen-Seins<br />

in den psychodynamischen Begrenzungen der<br />

aktuellen Befindlichkeit, worin der Pädagoge ihn ermutigen<br />

sollte. Mit diesem Abstand zu sich selbst, zu den vielleicht<br />

gerade brennenden Problemen, zum Beispiel Probleme der<br />

Partnerschaft, Ärger mit den Eltern, Unverständnis der Lehrer,<br />

nimmt der Schüler die situative Anfrage des Lerngegenstandes<br />

bzw. der Lernsituation wahr, die für ihn das Aufdecken<br />

und Entdecken von Entwicklungspotential bedeuten<br />

kann. In der Selbstdistanz und Transzendenz wegen des Lerngegenstandes,<br />

der ihn berührt, kann er zu einer persönlichen<br />

Zukunftsaufgabe finden. Dabei erfährt er im personalen Austausch<br />

mit Mitschülern und Lehrern die Möglichkeit, sich zurückzunehmen,<br />

sich zu vertreten und sich zu behaupten.<br />

Eine besonders anspruchsvolle Form der personalen<br />

Stellungnahme stellt die Fähigkeit dar, Widersprüche zu in-<br />

EXISTENZANALYSE 29/2/2012 93

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