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WO EIN WILLE – DA EIN WEG - GLE International

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Plenarvortrag<br />

Transmitter Serotonin beteiligt, von dem man weiß, dass<br />

er auf verschiedenen Ebenen des Gehirns als Antagonist<br />

des Dopamin wirkt (Kapur & Remington 1996). Jetzt wird<br />

verständlich, warum Serotoninwiederaufnahmehemmer<br />

(SSRI) nicht nur bei Zwangserkrankungen, sondern bei allen<br />

psychischen Erkrankungen helfen können, bei denen<br />

das Selbst in Mitleidenschaft gezogen ist, also auch bei<br />

Depressionen, Ess-Störungen, einigen Persönlichkeitsstörungen<br />

bis hin zu verschiedenen stressbedingten psychosomatischen<br />

Symptomen wie Spannungskopfschmerz u. v.<br />

m. Wir sind dieser Hypothese einmal in einer Stichprobe<br />

von Patienten eines Nervenarztes nachgegangen, um herauszufinden,<br />

ob der Arzt beim Verschreiben von SSRIs<br />

(statt anderer Antidepressiva) als implizites Kriterium<br />

die Selbsthemmung heranzog. Tatsächlich waren bei den<br />

SSRI-Patienten die Kennwerte für Selbsthemmung signifikant<br />

erhöht (gemessen mit der Osnabrücker EOS-Diagnostik:<br />

www.impart.de).<br />

Systeminteraktionen: Gefühle vermitteln<br />

die Abstimmung zwischen vier Systemen<br />

Nachdem wir nun die unterschiedlichen Funktionsweisen<br />

des Ich und des Selbst betrachtet haben, tun sich weitere<br />

Fragen auf: Wie arbeiten Ich und Selbst zusammen?<br />

Reichen diese beiden Systeme aus, um die beiden zentralen<br />

Funktionen zu erfüllen, die wir mit dem Begriff einer<br />

gut entwickelten „Persönlichkeit“ verbinden: Das Umsetzen<br />

von Vorsätzen („Willens- und Leistungskraft“) und das<br />

Lernen aus Fehlern („Selbstwachstum“)? Die Theorie der<br />

Persönlichkeits-System-Interaktionen ist ein Versuch, solche<br />

Fragen vor dem Hintergrund des Forschungsstandes<br />

der Psychologie und ihrer Nachbarwissenschaften zu beantworten.<br />

Um Willensstärke und Selbstwachstum zu erklären,<br />

braucht es zwei weitere Systeme: Das Ich mit seiner<br />

Fähigkeit, bewusste Absichten und Ziele zu verfolgen und<br />

mit Hilfe des analytischen Denkens die dazu notwendigen<br />

Handlungspläne zu machen, braucht als Partnersystem die<br />

Intuitive Verhaltenssteuerung (Abb. 1). Das ist ein System,<br />

das beabsichtigte Handlungen ausführen kann. Da bei der<br />

Handlungsausführung viele Kontextmerkmale gleichzeitig<br />

berücksichtigt werden müssen, wäre das bewusste Ich überfordert.<br />

Die Intuitive Verhaltenssteuerung vermag in Bruchteilen<br />

einer Sekunde viele handlungsrelevante situative<br />

Veränderungen zu berücksichtigen, was ähnlich wie beim<br />

Selbst eine starke Parallelverarbeitung erfordert. Auf der anderen<br />

Seite braucht das Selbst, wenn es aus Fehlern lernen<br />

will, ein Partnersystem, das sehr fehlersensitiv ist und unstimmige<br />

Einzelheiten aus dem Gesamtkontext herauslöst,<br />

damit sie nicht untergehen, sondern ernst genommen werden<br />

können. Bewusst wahrgenommene Einzelheiten, die aus<br />

dem Kontext herausgelöst werden, um sie genau betrachten<br />

zu können, nennen wir Objekte. Das können visuelle Gegenstände<br />

sein, aber auch Gehörtes oder auch Gefühle (wenn sie<br />

von ihrem Kontext isoliert werden). Das System, das diese<br />

Art der bewussten Wahrnehmung von Einzelheiten ermöglicht,<br />

heißt deshalb auch „Objektwahrnehmung“. Es macht<br />

Einzelheiten zu Objekten, die vom Gesamtkontext abgelöst<br />

sind (Abb. 1).<br />

Abb 1: PSI Modell<br />

Wenden wir uns nun der Frage zu, wie diese vier Systeme<br />

zusammenarbeiten. Zunächst die Frage nach der „Handlungsfreiheit“,<br />

die auch als Willens- oder Umsetzungsstärke<br />

bezeichnet werden kann (s. Abb. 1: „Ausführen“): Welche<br />

Systeme müssen zusammenarbeiten, wenn eine Absicht<br />

in die Tat umgesetzt werden soll? Erstens muss das Ich in<br />

seinem Gedächtnis für unerledigte Absichten dafür sorgen,<br />

dass die Absicht bis zu ihrer Erledigung nicht in Vergessenheit<br />

gerät, und zweitens muss zum richtigen Zeitpunkt das<br />

Absichtsgedächtnis mit der Intuitiven Verhaltenssteuerung<br />

verschaltet werden, damit Letzteres weiß, welche Handlungsroutine<br />

jetzt ausgeführt werden soll (ggfs. auch gegen<br />

eine momentan nicht gewollte, stark drängende Handlungsroutine).<br />

Die erste Modulationsannahme der PSI-Theorie<br />

postuliert, dass diese Verbindung vom Absichtsgedächtnis<br />

zur Intuitiven Verhaltenssteuerung durch positive Gefühle<br />

verstärkt wird (s. Abb. 1: Diagonale „Ausführen“). Sie stellen<br />

die nötige handlungsbahnende Energie bereit. Bevor<br />

eine gute Gelegenheit zur Ausführung gekommen ist, muss<br />

die Ausführung aufgehalten, oft sogar verhindert werden<br />

(z. B. wenn vorschnelles Handeln Nachteile bringt). Dafür<br />

muss der positive Affekt gebremst werden. Solange eine<br />

Absicht im Intentionsgedächtnis aufrechterhalten werden<br />

soll, muss der positive Affekt also gebremst werden: Das<br />

kann sich subjektiv als eine sachlich-nüchterne Stimmung<br />

oder sogar als Entmutigung bemerkbar machen (Abb. 1).<br />

Menschen, die positiven Affekt schlecht bremsen können<br />

(z. B. weil sie sehr impulsiv sind, immer gute Laune haben<br />

müssen oder Frustration nicht aushalten können) haben<br />

oft „Schwierigkeiten mit Schwierigkeiten“, d. h. mit<br />

der Bildung und Aufrechterhaltung von „schwierigen“<br />

Absichten. Das effiziente Aufrechterhalten von schwierigen<br />

oder unangenehmen Absichten und ihre Ausführung<br />

(„Willensstärke“) erfordert also die passende Regulation<br />

des positiven Affekts: Er muss gehemmt werden, um<br />

voreiliges Handeln zu vermeiden und die Absicht nicht<br />

zu vergessen (die Hemmung des positiven Affekts ist in<br />

Abb. 1 mit dem Symbol A(+) dargestellt). Und im richtigen<br />

Moment muss diese Hemmung wieder aufgegeben<br />

werden, damit sie ausgeführt werden kann (vgl. das A+ als<br />

Determinante der Intuitiven Verhaltenssteuerung in Abb.<br />

1). Wenn diese Aufhebung der Hemmung, die die Dämpfung<br />

des positiven Affekts rückgängig macht, bei Bedarf<br />

auch ohne fremde Hilfe herbeigeführt werden kann, spricht<br />

man von „Selbstmotivierung“. Bei schwach entwickelter<br />

Selbstmotivierung ist die Person auf die Ermutigung an-<br />

EXISTENZANALYSE 29/2/2012 45

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