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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Grundlagen der Hexenprozesse 10<br />

später von ausgewählten Vertretern (Schöffen und Richter) ausgeübt wurde. 40 Die Auswahl<br />

der Schöffen und Richter war hauptsächlich an deren Alter, Erfahrung und die<br />

gesellschaftliche Bedeutung geknüpft. Durch die Bindung an die mündliche Überlieferung<br />

und die persönliche Erfahrung der Rechtskundigen besaß das Recht meistens nur<br />

lokale beziehungsweise regionale Gültigkeit. Die Funktion der Prozesse bestand im<br />

Wesentlichen darin, einen institutionellen Rahmen zu schaffen, um private Fehden zu<br />

verhindern und den Landfrieden zu sichern. 41 Grundsätzlich kam es nur auf die Anzeige<br />

eines Geschädigten hin zum Prozess, was von der Rechtswissenschaft gemeinhin als<br />

„Akkusationsprozess“ bezeich<strong>net</strong> wird. 42 In den Parteiverfahren ging es nicht um eine<br />

rationale Wahrheitsermittlung, sondern vielmehr prägten nach heutigem Verständnis<br />

irrationale formale Beweismittel wie Gottesurteile und Zweikämpfe die Verhandlungen.<br />

43 Daneben spielten die Zahl der Zeugen, die die Parteien beibringen konnten sowie<br />

verschiedene Eide eine wichtige Rolle für die Urteilsfindung. Zentrale Elemente der<br />

Prozesse waren die Öffentlichkeit der Verfahren vor der Gerichtsgemeinde sowie die<br />

Mündlichkeit, die eine unmittelbare Entscheidung verlangte, da das Urteil allein auf<br />

Grund von Erinnerungen gefällt werden musste. 44 Die Richter leiteten die Verhandlungen,<br />

während die eigentliche Urteilsfindung ausschließlich durch die Schöffen erfolgte.<br />

45<br />

Im 13. Jahrhundert schuf Eike von Repgow mit dem Sachsenspiegel erstmals eine umfangreiche<br />

Aufzeichnung eines Stammesrechts, der verschiedene Texte ähnlichen Typs<br />

aus anderen Territorien folgten. 46 Diese Sammlungen „spiegelten“ jedoch nur das ausgeübte<br />

Recht, das heißt, sie bildeten es ab. Dementsprechend bildete die Autorität der<br />

Überlieferung für diese schriftlichen Aufzeichnungen weiterhin die wichtigste Grundlage.<br />

Die Darstellungen hatten entsprechend ihrer überlieferten Vorlagen auch nicht den<br />

Charakter abstrakter, verbindlicher Rechtsnormen, sondern blieben stark an Einzelfällen<br />

40<br />

41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46<br />

Vgl. HRG 1971, 1553.<br />

Die Ideen der Landfriedensbewegung finden jedoch nach Laufs (1996, 93) erst Ende des 15. Jahrhunderts<br />

mit dem Reichsabschied von Worms ihren „Höhepunkt und Abschluß“. Der in die Wormser Satzung<br />

aufgenommene Ewige Landfriede schreibt für das ganze Reich erstmals verbindlich vor, dass<br />

„Streitigkeiten nicht mehr gewalttätig und eigenmächtig, [sondern] vielmehr gerichtlich ausgetragen<br />

werden“ müssen.<br />

Zum Akkusationsprozess vgl. beispielsweise den entsprechenden Artikel im HRG 2004, 126–128<br />

sowie die Darstellung bei Kroeschell 1973, 257.<br />

Vgl. HRG 1971, 1552–1554.<br />

Die Öffentlichkeit peinlicher Verhandlungen geht nach Stölzel (1872, 349f.) auf die Einführung der<br />

Schöffengerichte durch Karl den Großen zurück.<br />

Vgl. HRG 1971, 1553.<br />

Vgl. Schmidt-Wiegand 1998, 80f.

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