„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Zum frühneuzeitlichen Protokollbegriff 27<br />
Protocoll, Protocollum, ist so viel, als ein Gerichts-Buch, worein man alles dasjenige<br />
aufschreibet und einzeich<strong>net</strong>, was daselbst vorgehet und abgehandelt wird, dergleichen<br />
die Richter und Notarien haben. 130<br />
Der Artikel im Zedler zeigt zudem, dass die Schreiber nicht nur Eintragungen in die<br />
Gerichtsbücher vornahmen, sondern neben den Richtern auch für deren Verwahrung<br />
zuständig waren. Diese Vorstellung entspricht dem Eid des Schreibers in der Carolina<br />
(Artikel 5), durch den sich dieser unter anderem zur Verwahrung und Verlesung der<br />
Protokolle verpflichtet. 131<br />
3.2 Gesetzliche Bestimmungen zu Protokollen und Protokollführung<br />
3.2.1 Reichsnotariatsordnung<br />
Die Reichsnotariatsordnung (RNO) regelte die Amtsausübung der Schreiber, die vom<br />
Kaiser oder den Pfalzgrafen zum notarius publicus ernannt worden waren. 132 Da die<br />
Tätigkeit dieser kaiserlichen Notare hauptsächlich in der Beurkundung von Rechtsvorgängen<br />
bestand, enthält die Reichsnotariatsordnung zahlreiche detaillierte Vorschriften<br />
zur Protokollführung. Als Ziel der Mitschrift durch einen Notar wird in der Präambel<br />
der Reichsnotariatsordnung genannt, dass<br />
die Handlung und Willen der Menschen, damit sie nicht in Vergessen gesetzt, durch Mittel<br />
der Schrifft in ewiger Gedächtniß behalten und durch glaubwFrdige offene Urkund<br />
befestigt werden. 133<br />
Angesichts der folgenden detaillierten Darstellung der Missstände im Notariatswesen, 134<br />
die offensichtlich auch nach Einführung der Reichsnotariatsordnung teilweise weiterhin<br />
existieren, muss diese Zielsetzung von Aufzeichnungen jedoch eher als Idealvorstellung<br />
130 Zedlers Universal-Lexicon 1741, 973 [Art. Protocoll].<br />
131 Diese Verwahrungspflicht erstreckte sich vor allem auf die Dauer des Prozesses. Danach sollten alle<br />
Schriftstücke inn dem gericht behalten [...] vnd inn eyner sondern behaltnuß verwart werden, darmit<br />
(wo es künfftiglich not thun würde) solcher gerichts handell daselbst zufinden wer (Schroeder 2000,<br />
118 [Art. 202]).<br />
132 Zur Entwicklung des Notariatsamts vgl. HRG 1984, 1043–1046.<br />
133 Reichsabschiede II 1967 [1747], 152.<br />
134 So heißt es dort über die Notare, dass sie (wie wir aus kFndlicher Erfahrung und mercklicher Klag<br />
vernehemen) Stands Wesens und Kunst halben gebrechlich, ihrer etliche in viel Weg unnütz, etliche<br />
mit Leibeigenschafft verpflichtet, etliche Falschheit in ihrer Notariat-Aemptern begangen, oder mit<br />
andern Mißthaten befleckt oder =ffentlich berFchtigt, ihrer eltiche s(umig und ihrer etliche ungeFbt<br />
und unverst(ndig seyn (Reichsabschiede II 1967 [1747], 152). Nach Meinung der neueren Forschung<br />
stellten vor allem „ungenügende Kontrolle und eine großzügige Ernennungspraxis“ im 15. Jahrhundert<br />
die Ursache für die Missstände im Notariatswesen dar (HRG 1984, 1045). Trusen führt diese<br />
Probleme wiederum auf die zunehmende Zahl von Pfalzgrafen zurück, die aus finanziellen Gründen<br />
zahlreiche ungeeig<strong>net</strong>e Schreiber ohne die erforderliche Prüfung zu Notaren ernannten (vgl. ebd.<br />
1962, 85–89).