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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Von Schreibern und Kanzleien 54<br />

ber in vielen Fällen nur ein abgebrochenes Studium darstellte. 244 Diese Annahme wird<br />

durch die Tatsache gestützt, dass für viele Schreiber die Immatrikulation, nicht aber der<br />

Abschluss des Studiums nachgewiesen werden konnte. 245 Im Übrigen kann auch die<br />

Angabe von akademischen Titeln wie etwa „Magister“ in den Protokollen nicht automatisch<br />

als Beleg für einen Studienabschluss gewertet werden. Die Untersuchungen im<br />

Zusammenhang mit dem Notartitel haben nämlich bereits gezeigt, dass in der Frühen<br />

Neuzeit eine gewisse terminologische Ungenauigkeit herrschte, die die Schreiber teilweise<br />

zu ihrem Vorteil ausnutzten.<br />

Unabhängig davon, ob die Schreiber nun ein abgeschlossenes Studium vorweisen konnten<br />

oder nicht, stellt sich die Frage, inwieweit die universitäre Ausbildung in den gelehrten<br />

Rechten überhaupt auf die Praxis der Strafprozesse ausgerichtet war. Schuler geht<br />

beispielsweise davon aus, dass „an den deutschen Universitäten keine speziellen Ausbildungsgänge<br />

für den Notarnachwuchs angeboten wurden.“ 246 Somit erscheint es äußerst<br />

fragwürdig, ob selbst ein abgeschlossenes juristisches Studium mehr als den theoretischen<br />

Hintergrund für die Arbeit der Schreiber liefern konnte. Das Wissen, wie beispielsweise<br />

ein Protokoll aufgebaut wurde, welche Teile des Verhörs in ein Protokoll<br />

aufgenommen werden mussten und wie eine Aussage angemessen wiedergegeben wurde,<br />

erlangten die Schreiber mithin nicht während ihrer universitären Ausbildung. 247 Diese<br />

Tatsache ist bisher von der Forschung nur wenig beachtet worden, obwohl sie von<br />

erheblicher Bedeutung ist: Wenn nämlich die Qualifizierung der Schreiber für die Protokollführung<br />

nicht im Rahmen des Studiums, sondern unabhängig davon erfolgt ist,<br />

dann muss die Bedeutung der wissenschaftlichen Ausbildung für die Ausprägung der<br />

Hexereiverhörprotokolle relativiert werden. Stattdessen tritt die Frage nach den Bedingungen<br />

der praktischen Ausbildung der Schreiber in den Vordergrund. Anders als in der<br />

heutigen Zeit, in der das Amt des Protokollführers in Strafprozessen ein abgeschlossenes<br />

Jurastudium sowie eine daran anschließende zweijährige, genau festgelegte Ausbil-<br />

244 Vgl. etwa Laufs (1996, 70). Lorenz (1982, 357) geht selbst für Notare davon aus, dass sie „auf Grund<br />

einer gewissen Beschäftigung – oft einem abgebrochenen Studium – mit den gelehrten Rechten mehr<br />

oder weniger in der Lage [waren], zahlreiche Aufgaben in der vornehmlich auf gemeinrechtlichen<br />

Prinzipien beruhenden Rechtspflege zu übernehmen.“<br />

245 Immatrikulation weisen beispielsweise Dahl (1960, 39-46) für Rostock, Heinsohn (1933, 75-88) für<br />

Lübeck sowie Teske (1927, 46-48) für Lüneburg nach.<br />

246 Schuler, 1976, 111.<br />

247 Es stellt sich auch die Frage, ob während des Studiums überhaupt die gesetzlichen Verordnungen zur<br />

Protokollierung behandelt wurden (wie etwa die Reichsnotariatsordnung), da diese ja nicht dem klassischen<br />

römischen oder kanonischen Recht entstammten.

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