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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Von Schreibern und Kanzleien 52<br />

1.2 Ausbildung<br />

Die Protokollführung in Hexenprozessen setzte gewisse Kenntnisse des Schreibers voraus:<br />

Auf der einen Seite waren dies natürlich gute Schreib- und Lesekenntnisse, die in<br />

dem betrachteten Zeitraum vom 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhundert lediglich eine gebildete<br />

Minderheit vorweisen konnte. Auf der anderen Seite mussten die Schreiber aber<br />

auch mit der Praxis der Protokollführung zumindest ansatzweise vertraut sein (zum Beispiel<br />

mit dem Aufbau von Protokollen und der Art der Wiedergabe). In vielen überlieferten<br />

Protokollen finden sich zudem juristische Fachtermini, die zumindest auf elementare<br />

Rechtskenntnisse hinweisen. 234 Insgesamt lässt sich hieraus schließen, dass das<br />

Amt des Gerichtsschreibers eine Ausbildung voraussetzte, die sich nach Meinung der<br />

Forschung bis zum 15. Jahrhundert in der Regel folgendermaßen gestaltete: 235 Nach<br />

dem Besuch einer Dom-, Stifts- oder Klosterschule – in späteren Zeiten auch häufig<br />

städtischen Lateinschule – traten die angehenden Schreiber eine Lehrzeit in einer Kanzlei<br />

oder bei einem Schreiber an und erst danach wurden sie eigenverantwortlich als<br />

Schreiber oder Notare tätig. Bei dieser Art der Ausbildung muss man davon ausgehen,<br />

dass sich die erworbenen Rechtskenntnisse weniger auf breite theoretische Hintergründe,<br />

sondern vielmehr auf eine begrenzte Auswahl von für die Praxis notwendigen Formeln<br />

beschränkte, die vor allem an die lokalen oder regionalen Traditionen gebunden<br />

war. Zur weiteren Entwicklung der Schreiberausbildung im 16. und frühen 17. Jahrhundert<br />

existieren in der Forschung zwei auf den ersten Blick sehr konträre Standpunkte:<br />

Während einige Forscher eine deutliche Professionalisierung der Justiz aufgrund der<br />

universitären Ausbildung nahe legen, 236 heben andere Forscher für den gleichen Zeitraum<br />

die fehlende beziehungsweise ungenügende Ausbildung der Schreiber hervor. 237<br />

Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass der Gegensatz hauptsächlich dadurch<br />

entsteht, dass man bei den Begriffen „Professionalisierung“ und „universitäre Ausbil-<br />

234 Dies waren vor allem auch Fachbegriffe lateinischen Ursprungs. Vgl. hierzu den Abschnitt zur Lateinverwendung<br />

in diesem Kapitel.<br />

235 Vgl. etwa Schuler 1976, 100–108.<br />

236 Vgl. Macha (1991, 56) spricht etwa im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zu den Kölnern<br />

Turmbüchern von „einer fortschreitenden juristischen Professionalisierung der Gerichtsschreiber.“<br />

Taubken (1981, 150) schreibt in ähnlicher Weise mit Bezug auf seine Untersuchungen zur Kanzlei in<br />

Lingen: „Seit dem 17. Jh. wurde die Aufgabe [gemeint ist das Stadtschreiberamt] stets qualifizierten<br />

Personen anvertraut, die über eine juristische Ausbildung verfügten.“ Bentzinger behauptet gar, die<br />

„Gelehrsamkeit [sei] die hervorstechende Eigenschaft der Kanzleischreiber (s. öftere Benennung<br />

clerc)“ gewesen (ebd. 2000, 1668).<br />

237 Vgl. hierzu etwa Lorenz (1982, 356), der von „Unfähigkeit [der Schreiber], die zumeist auf mangelnder<br />

Kenntnis beruhte“ spricht oder Lauf (1996, 70), der in den Schreibern vielfach „Halbstudierte“<br />

sieht.

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