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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Zum frühneuzeitlichen Protokollbegriff 35<br />

Osnabrücker Hexenprozess ausdrücklich bestätigt, dass diese Urtheil dem unß zugeschickten<br />

Peinlichen verfolg, denen rechten und der Kays[erlichen] Peinlichen Halßgerichts<br />

ordnung gemeeß sey. 163 Neben den Gerichtsordnungen, bei denen der Verweis<br />

auf die Carolina eher formalen Charakter hat, 164 sind territoriale Gerichtsordnungen<br />

überliefert, die – ähnlich wie die Peinliche Gerichtsordnung der Landgrafschaft Hessen<br />

von 1609 – Teile der Carolina fast wörtlich übernehmen. 165<br />

In Bezug auf die Vorschriften zur Protokollführung ist festzustellen, dass sich – anders<br />

als in der Reichsnotariatsordnung und in Ansätzen auch in der Carolina – in den meisten<br />

territorialen Gerichtsordnungen keine detaillierten Überlegungen dazu finden, auf welchen<br />

Sinneswahrnehmungen die Mitschriften beruhen sollen. Stattdessen wird in mehreren<br />

Ordnungen relativ undifferenziert gefordert, dass „Alles“ aufgezeich<strong>net</strong> werden<br />

soll. So verlangt die Eidesformel in der Nassauischen Gerichts- und Landordnung von<br />

1616, dass die Schreiber alles vnd jedes / so Gerichtlich gehandlet [!] / fFrgetragen vnd<br />

eyngebracht wird, aufschreiben. 166 Noch umfassender ist die Protokollierungspflicht<br />

nach der Osnabrücker Gemeinen Geistlichen und Land-Gerichts-Ordnung, die Anfang<br />

des 17. Jahrhunderts entstanden ist:<br />

So offt Jedes orts Gerichte gehalten wirdt, sol der GerichtSchreiber anfangs biß zum ende<br />

mit bei dem gerichte sein, vnd waß in Jeder Sachenn mundtlich furgetragenn oder<br />

schrifftlich eingelacht [!] wirdt, ohne enderung, zuthun oder abzugh, mit getrewen vleiß<br />

Prothocolliren vnd auffschreibenn. 167<br />

Die Osnabrücker Ordnung geht von der eher theoretischen Vorstellung einer vollständigen<br />

Protokollierung aller Handlungen und Aussagen ohne Überformung durch den Protokollführer<br />

aus (ohne enderung, zuthun oder abzugh). In anderen Gerichtsordnungen<br />

werden dagegen – ähnlich wie in der Carolina – die Selektion nach juristischer Relevanz<br />

sowie die aktengerechte Überformung ausdrücklich angesprochen. So heißt es<br />

etwa im Nordstrander Landrecht von 1572, der Schreiber solle in summarischer wise<br />

163 Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück Dep. 3b IV Nr. 3491 fol. 149r., zit. n.: Topalović 2003, 31.<br />

164 Dazu gehört nach der Untersuchung von Topalović auch die Osnabrücker Gemeine Prozeß-Ordnung,<br />

die zwar in Titel VIII § 2 ausdrücklich fordert, dass in peinlichen Sachen nach Inhaltt dero durch<br />

Kayser Carolum den funfften, Im Jahr 1530 vnd zwei vnd dreissigh zu Augspurgh [!] vnd Regenspurgh<br />

vffgerichteder pfeinlicher halßgerichts ordnung procedert vnd verfarhen werde (Codex<br />

Constitutionum Osnabrugensium 1783, 62f., zit. n.: Topalović, 2003, 115), zugleich aber durch die<br />

Verschärfung des Zaubereiparagraphen selbst von dieser abweicht (vgl. zweites Kapitel). Topalović<br />

spricht daher von der Bedeutung der Carolina „zumindest auf dem Papier“ (ebd., 31).<br />

165 Vgl. beispielsweise den Eid des Schreibers (Peinliche Gerichtsordnung der Landgrafschaft Hessen<br />

1609, 5).<br />

166 Nassauische Gerichts- und Landordnung 1616, 47.<br />

167 Codex Constitutionum Osnabrugensium 1783, 69, zit. n. Topalovic 2003, 122.

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