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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Wiedergabeformen 89<br />

alles mit stilschweigen beantworttett. 374<br />

Dies ist jedoch offenbar nicht die einzige Funktion, die die Aufzeichnung von Schweigen<br />

in Hexereiverhörprotokollen haben kann. So heißt es im Protokoll aus Lemberg von<br />

1630:<br />

Worauf sie wied[er] von der Erd[en] vfgezogen,<br />

darbey die daumeißen Ihr an die zwo große zewen geschraubt, vnd fast<br />

1/4. stundt in der pein gehaltten worden, so sich abermals gantz stillschweigent<br />

erzeigt, als wan sie schlieffe, vnd[er] deßen vf beschehene ahnredung<br />

kein antwort geben wollen. 375<br />

Hier wird das Schweigen vor allem als verdächtige Eigenschaft dargestellt, denn es erscheint<br />

kaum vorstellbar, dass ein Mensch eine lange Folter schweigend über sich ergehen<br />

lässt. Vielmehr ist dieses Verhalten nach der Darstellung im Hexenhammer und<br />

anderen dämonologischen Schriften eher typisch für Hexen, die mittels Schweigezauber<br />

und Hexenschlaf die Folter überstehen können. 376 Somit ist das protokollierte Schweigen<br />

hier im juristischen Sinne ein Indiz dafür, dass die Angeklagte wirklich eine Hexe<br />

sein muss. Auch die Bemerkung, dass die Angeklagten im Verhör nicht Weinen konnten,<br />

stellt ein Indiz für deren Schuld dar, denn in den Traktaten zur Hexenverfolgung<br />

wurde Hexen die Fähigkeit zu weinen abgesprochen. 377 Dementsprechend heißt es beispielsweise<br />

im Protokoll aus Schweinfurt von 1616:<br />

Simulirte hefftiges weinen, ⏐weinen+<br />

doch ohne Trehnen, daß, wie genugsam<br />

zuuerspüren gewesen,<br />

kein ernst da gewesen. 378<br />

Ein Indiz für die Schuld ist hier nicht nur die fehlende Fähigkeit zu weinen, sondern<br />

374 Macha [et al.] 2005, 109.<br />

375 Ebd., 250.<br />

376 Im Hexenhammer heißt es etwa im Abschnitt Von den Dingen, die der Richter vor den vorzulegenden<br />

Fragen in der Kerker- und Folterkammer zu beachten hat: Der Grund, weshalb er [der Richter] nicht<br />

leichtfertig sein darf [bei der leichtfertigen Befragung einer Hexe], ist weil, wenn nicht göttlicher<br />

Zwang durch den heiligen Engel bewirkt, daß der Schadenszauber des Teufels weicht, sie [die Beschuldigte]<br />

so unempfindlich gegen Schmerzen wird, daß sie sich eher zerreißen lässt, als daß sie etwas<br />

von der Wahrheit zu gestehen vermöchte (Kramer 2004 [1486], 671). Auch wird den Richtern<br />

empfohlen, die Verdächtigen darauf untersuchen zu lassen, ob irgendein [Schweige]zauber in die<br />

Kleider eingenäht ist, den sie [die Hexen] häufig auf Unterweisung der Dämonen hin aus den Gliedern<br />

eines ungetauften Knaben herstellen (ebd., 674).<br />

377 In diesem Zusammenhang vermerkt etwa der Hexenhammer: Es ist nach alter Überlieferung glaubwürdiger<br />

Leute und eigener Erfahrung das sicherste Zeichen, daß, selbst wenn er [der Inquisitor] sie<br />

zum Weinen unter Beschwörungen antreibt, sie keine Tränen vergießen kann, wenn sie eine Hexe ist<br />

(Kramer 2004 [1486], 679).<br />

378 Macha [et al.] 2005, 505.

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