„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Zum frühneuzeitlichen Protokollbegriff 41<br />
macht. Wichtigste Voraussetzung ist, dass die Aussagen und Handlungen den Vorschriften<br />
der Gerichtsordnungen entsprechend wiedergegeben werden. Im zitierten Paragraphen<br />
der Nassauischen Gerichts- und Landordnung wird beispielsweise in diesem<br />
Sinne die Beweiskraft davon abhängig gemacht, dass die Mitschrift in gebFrlicher und<br />
zierlicher form erfolgt ist. Dies bedeutet auf der einen Seite, dass die Aussagen angemessen<br />
und vollständig wiedergegeben werden müssen. Auf der anderen Seite ist damit<br />
aber die Einhaltung der formalen Vorschriften, die beispielsweise die Angabe von anwesenden<br />
Zeugen, Datum und Uhrzeit der Verhandlung sowie die Unterschrift des Protokollführers<br />
verlangen, gemeint. Ein weiterer wichtiger formaler Aspekt für die Beweiskraft<br />
von Protokollen ist, dass sie nicht verändert oder verfälscht worden sein dürfen.<br />
Zum Schutz vor Fälschungen wird in einigen Gerichtsordnungen verlangt, dass die<br />
Gerichtsbücher wie besonders wertvolle Gegenstände verwahrt werden. Die Nassauische<br />
Gerichts- und Landordnung fordert beispielsweise:<br />
Solches Buch nun sol mit vnd beneben dem andern Gerichtsbuch / wie auch mit dieser<br />
vnser Ordnung / in eine kist / mit zweyen verenderte schlossen / gethan / vnd der ein<br />
schlFssel vnserm Schuldtheissen / der ander aber dem eltesten vnder den Sch=pfen / doch /<br />
daß alle jar damit vmbgewechselt werde / gegeben / vnd jederzeit / in beyseyn des<br />
Gerichtschreibers / welcher allein vnd niemand anders / es sey dann daß er schwach were<br />
/ dareyn zu schreiben bemechtigt seyn sol / er=ff<strong>net</strong> / vnd zum fleissigsten m=glich<br />
verwahret werden. 192<br />
Auch die Vorschrift, dass nur der Gerichtsschreiber Eintragungen in das Gerichtsbuch<br />
vornehmen darf (diese Vorschrift findet sich in ähnlicher Form in verschiedenen anderen<br />
Gerichtsordnungen), stellt einen Schutz gegen Fälschungen dar: So sollen spätere,<br />
illegale Hinzufügungen von anderen Personen leichter identifizierbar werden. Die Ü-<br />
berprüfung der Protokolle auf solche Fälschungen oblag dabei in der Regel wiederum<br />
dem Schreiber. 193<br />
4.2 Zurückweisung von Protokollen<br />
Angesichts der dargestellten Verknüpfung der Beweiskraft der Protokolle mit der Einhaltung<br />
bestimmter Vorschriften, stellt sich die Frage, ob Abweichungen von diesen<br />
Vorgaben in der Praxis zur Zurückweisung von Protokollen führten. Eine Feststellung<br />
der Mängel wäre beispielsweise bei der Überprüfung von Akten durch die Rechtsfakultäten<br />
oder durch qualifizierte Verteidiger bei wohlhabenden Angeklagten denkbar. Lei-<br />
192 Nassauische Gerichts- und Landordnung 1616, 3.<br />
193 In einigen Gerichtsordnungen wird auch eine gemeinsame Überprüfung durch Gerichtsschreiber und<br />
Richter verlangt (vgl. etwa Nassauische Gerichts- und Landordnung 1616, 14).