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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Von Schreibern und Kanzleien 62<br />

tätig waren. 278<br />

Neben der Frage nach Art und Umfang der lateinischen Fremd- und Lehnwörter stellt<br />

sich die Frage nach deren Funktion. Hierzu muss man sich grundsätzlich vor Augen<br />

führen, dass die Hexereiverhörprotokolle der juristischen Sphäre zuzurechnen sind und<br />

Latein wiederum die Sprache sowohl der legistischen als auch der kanonischen Rechtswissenschaft<br />

war. Neben den grundlegenden juristischen Werken waren aber die Traktate<br />

und Handbücher aus dem kirchlichen Bereich, die sich mit der Hexenlehre befassten<br />

und Anleitungen zur Hexenverfolgung gaben, in der Regel in lateinischer Sprache<br />

erschienen (wie zum Beispiel der Hexenhammer). Somit stellte die Verwendung lateinischer<br />

Fremd- und Lehnwörter eine Anknüpfung der Rechtspflege an die Wissenschaften<br />

dar; Latein kann dementsprechend als juristische Fachsprache gedeutet werden. Der<br />

geringe Anteil des Lateinischen sowie die Reduzierung auf wenige Standardausdrücke<br />

und formelhafte Versatzstücke, die in vielen Protokollen festgestellt worden ist, muss<br />

auch im Kontext der Prozesse gesehen werden: So waren nämlich insbesondere an kleineren<br />

Gerichten Richter, Schöffen und andere Prozessbeteiligte nur selten in den gelehrten<br />

Rechten ausgebildet. 279 Somit hätte ein übermäßiger Gebrauch von lateinischen<br />

Fremdwörtern der pragmatischen Ausrichtung der Protokolle widersprochen. In mehreren<br />

untersuchten Protokollen lässt sich dennoch ein Lateingebrauch feststellen, der offensichtlich<br />

über standardisierte Fachausdrücke und formelhafte Wendungen hinausgeht.<br />

So finden sich etwa im Protokoll aus Dillenburg von 1631 zahlreiche Fremd- und<br />

Lehnwörter die eher den Charakter willkürlicher Übersetzungen haben. 280 Hierfür sind<br />

verschiedene Erklärungen denkbar: Zum einen wollten die Schreiber möglicherweise<br />

ihre Gelehrsamkeit und ihre umfangreichen Lateinkenntnisse zur Schau stellen. 281 Zum<br />

anderen könnte es sich auch um ein lokal besonders ausgeprägtes Merkmal der Kanzleisprache<br />

handeln. Nicht zuletzt muss die Bedeutung der jeweiligen Adressaten in Betracht<br />

gezogen werden: Mittels eines hohen Lateinanteils konnte etwa gegenüber einer<br />

Rechtsfakultät die Professionalität der Protokollführung hervorgehoben werden. 282 Da-<br />

278 Der relativ häufig auftretende Wechsel von Schulrektoren in das (Ober-)Stadtschreiberamt wird in der<br />

Forschung häufig mit dem größeren Ansehen und den besseren Verdienstmöglichkeiten begründet.<br />

Vgl. hierzu etwa Fleischer 1970, 20f.<br />

279 Vgl. HRG 2004, 129.<br />

280 Zum Beispiel im Protokoll aus Dillenburg von 1631: Warde daravff er der SteinMetzer avisiret,<br />

sein beKantnus were noch nicht solcher gestalt qualificiret, das [...] (Macha [et al.] 2005, 198).<br />

281 Macha (2003a, 31) spricht in ähnlichem Zusammenhang von „sprachlichem Imponiergehabe“.<br />

282 Auf den Zusammenhang zwischen Adressaten und der Ausprägung von Protokollen hat vor allem<br />

Topalović (2003, 202f.) hingewiesen.

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