„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Wiedergabeformen 73<br />
Dillenburg angestrebt wurde. 313 Somit bleibt das Verhör hier zwar als Grundlage erkennbar;<br />
der Verfahrensablauf dagegen kann höchstens noch erahnt werden.<br />
Das Protokoll aus Georgenthal von 1597 scheint auf den ersten Seiten ebenfalls nur eine<br />
Komposition von Erklärungen, Fragen, Redeeinleitungen, Aussagen und Kommentaren<br />
des Protokollanten zu sein. Aber dann gipfelt das Protokoll am Ende in der bereits erwähnten<br />
detaillierten Darstellung, wie der Teufel die Angeklagte nachts im Kerker umgebracht<br />
hat. 314 Problematisch stellt sich diese Darstellung nach den zeitgenössischen<br />
Vorschriften vor allem deshalb dar, weil sie nicht deutlich vom Rest des Protokolls abgegrenzt<br />
wird, obwohl sie offenbar nicht auf eigener Anschauung des Protokollführers<br />
beruht und sich außerdem auf einen Zeitraum nach dem Verhör bezieht.<br />
Die Beispiele verdeutlichen, wie groß die Bandbreite bei der Strukturierung der Hexereiverhörprotokolle<br />
der Frühen Neuzeit ist (insbesondere im Vergleich zu den modernen,<br />
weit homogeneren Vernehmungsprotokollen). Angesichts dieser Bandbreite stellt<br />
sich nicht nur die bereits untersuchte Frage, warum die verschiedenen Formen akzeptiert<br />
wurden, sondern auch auf welchen Grundlagen die unterschiedlichen Formen entstanden<br />
sind. In der Forschung wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf die<br />
Bedeutung von Schreibtraditionen verwiesen. Rösler etwa schreibt im Zusammenhang<br />
mit ihrer Untersuchung der Mecklenburgischen Verhörprotokolle:<br />
Traditionen der Schriftlichkeit treten im Aufbau der Texte [...] besonders deutlich hervor.<br />
Hier scheint es bewährte Muster zu geben, denen gefolgt wird. 315<br />
Man darf jedoch nicht davon ausgehen, dass im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts an<br />
einzelnen Orten von den Schreibern kontinuierlich die Form der Hexereiverhörprotokolle<br />
weiterentwickelt worden ist. Vielmehr führte das Auftreten der Hexenprozesse in<br />
Wellen, zwischen denen oft mehrere Jahrzehnte lagen, 316 dazu, dass die Protokollierung<br />
von Hexenprozessen für die Schreiber immer wieder eine neue Aufgabe darstellte. Die<br />
Schreibtraditionen und Muster, an die sich die Protokollführer halten konnten, waren<br />
somit wohl eher vergleichbare Texte aus anderen Tätigkeiten. Topalović stellt beispielsweise<br />
mit Blick auf den Osnabrücker Stadtsekretär Gerhard Meyer fest:<br />
Welche allgemeinen Tätigkeiten er als protokollierender Schreiber zu erfüllen hatte, war<br />
ihm jedoch bekannt, einerseits aus anderen Strafdelikten wie Mord oder Diebstahl, jedoch<br />
313 Rösler 1995, 271.<br />
314 Zitat siehe Anmerkung 211.<br />
315 Rösler 1995, 275.<br />
316 Vgl. etwa Schormann 1996, 55.