„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net
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Zum frühneuzeitlichen Protokollbegriff 43<br />
gewandte Folter ausreichend gewesen sind. Die Fakultät bestreitet dies nicht nur mit<br />
den Worten:<br />
Nun befinden wir, ex actis auch confessione Notarij, das die tortur sej reiteriret vnd<br />
tertijret, aber die exprimirte vrsachen, variationes oder jinditia, worauf solche repetitio<br />
torturae erfolget, befinden wir gar nicht, wie auch der Notarius dieselben so weinig ex<br />
protocollo als sonsten beibringen konnen. 199<br />
Vielmehr wird auch die offenbar vorausgegangene Rechtfertigung des Notars, der<br />
Stadtvogt und das Gericht hätten ihn nicht zur Protokollierung der Indizien aufgefordert,<br />
zurückgewiesen:<br />
Da er doch seinem vorigen vorgeben nach die variationes von der Menschen selbst will<br />
gehoret, vnd in genere, das sie varijret, notirt haben, Jst nun dem also, worzu sollte der<br />
Stadt voigt Jhm erst die variationes, gleich hette er dieselben nicht gehoret, anzeigen oder<br />
zuschreiben beuelen, da ie kein Notarius so rudis der nicht wisset, das Er auch<br />
vngeheissen aus dem munde des incarcerirten vnd nicht ex mandato tertij solche<br />
variationes solle und zwar ex officio annotiren. Vors dritte befinden wir nicht, das dem<br />
Notario die itzo ex post facto aus den actis extrahirte weinige variationes konnen zu staten<br />
kommen, weiniger dieser vordacht perimiren, Sintemall nichts weiniger wahr pleibet, das<br />
sein Protocoll vnrichtig, imperfect vnd sehr vordechtig sej. 200<br />
Dieses Zitat zeigt, dass die Vorschrift, die Mitschriften simultan und selbstständig auf<br />
Grundlage der eigenen Sinneswahrnehmungen anzufertigen, bei Notaren als bekannt<br />
vorauszusetzen ist. Anders als im zitierten Spruch der Greifswalder Fakultät, der lediglich<br />
die Wiederholung der Befragung zu einem Artikel fordert, erklärt die Rostocker<br />
Fakultät gleich das ganze Protokoll für ungültig (vnrichtig, imperfect vnd sehr vordechtig).<br />
In einer weiteren Belehrung von 1613/14 werden ausdrücklich die Folgen genannt,<br />
die die unangemessene Protokollführung für einen Notar haben konnte. In der Belehrung<br />
heißt es, der Notar Georgius Rungius sei<br />
auch hinfuro die actus torturae vleisiger, getrewlicher vnd vmbstendlicher bej verlust<br />
seines Notariats ampts vnd anderer wilkorlicher ernsten straffe zubeschrieben vnd sich in<br />
dem allem vnvordechtig zubezeigen schuldig. 201<br />
Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit Strafen wie der Verlust des Notariatsamts<br />
oder die nicht näher bezeich<strong>net</strong>e ernsten straffe in der Praxis wirklich zur Anwendung<br />
gekommen sind. Eine Belehrung aus dem Winter 1629/30 zeigt, dass auch bei wiederholtem<br />
Verstoß gegen die Anweisungen der Fakultät nicht unbedingt eine Strafe gegen<br />
den Notar verhängt wurde. Vielmehr wurde in diesem Fall lediglich eine erneute Befragung<br />
der Angeklagten gefordert:<br />
199 Belehrung der Rostocker Fakultät, Nr. 59 im WS 1621, zit. n.: Lorenz 1982, 365.<br />
200 Ebd.<br />
201 Belehrung der Rostocker Fakultät, Nr. 146 im WS 1613/14, zit. n.: Lorenz 1982, 364.