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„Die gefangene leugknet alles“ - Historicum.net

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Wiedergabeformen 70<br />

1. Textorganisation<br />

Grundsätzlich ergibt sich eine große Bandbreite an möglichen Formen der Protokollierung,<br />

da diese „je nachdem näher am Pol ‚Genaue Verschriftung’ des Gesprochenen<br />

oder am Pol ‚knappes inhaltliches Resümee’ liegen“ kann. 308 Legt man die zeitgenössischen<br />

Vorschriften zur Protokollführung zugrunde, kann man insgesamt feststellen, dass<br />

im 16. und 17. Jahrhundert das „knappe inhaltliche Resümee“ keinesfalls als angemessene<br />

Form eines Verhörprotokolls angesehen wurde. Vielmehr wurde von Gerichtsordnungen<br />

und Rechtsfakultäten explizit vorgeschrieben, dass sich nicht nur das Ergebnis,<br />

sondern auch der Ablauf des Verhörs im Protokoll abbilden müsse. Dies lag im Wesentlichen<br />

darin begründet, dass die Protokolle in den Inquisitionsprozessen besondere Bedeutung<br />

als Nachweis des rechtmäßigen Ablaufs von Verfahren hatten. Da die Hexenverhöre<br />

im Wesentlichen durch die Gliederung der Klage in einzelne Frageartikel bestimmt<br />

waren, 309 verlangte eine am Ablauf orientierte Wiedergabe eine weitgehende<br />

Orientierung an dieser Struktur. Anders als in den zeitgenössischen Gerichtsordnungen<br />

wird dies von den Rechtsfakultäten mitunter auch explizit gefordert, wie etwa der folgende<br />

Ausschnitt aus der bereits zitierten Belehrung der Rostocker Fakultät aus dem<br />

Winter 1629/1630 zeigt:<br />

Demnach mußen der <strong>gefangene</strong> articulatim vnd vmbstendlich alle vnd Jede Articul<br />

nochmaln vorgehalten, vnd was sie bey einem oder anderen beken<strong>net</strong> oder nicht gestehet<br />

mitt Jhren ausgeredeten worten beschrieben [werden].“ 310<br />

Wenn die Aussagen der Angeklagten in dieser Weise verzeich<strong>net</strong> werden sollen, setzt<br />

das zugleich voraus, dass die aufgezeich<strong>net</strong>e Aussage deutlich von Einleitungs- und<br />

Schlussformel, Überleitungen und anderen Elementen getrennt wird, die nicht zur ausgeredeten<br />

Aussage gehören Die Untersuchung des Textkorpus zeigt jedoch, dass eine<br />

solche klare Gliederung nicht unbedingt die Regel in den Hexereiverhörprotokollen der<br />

Frühen Neuzeit ist. Stattdessen gibt es eine ganze Bandbreite von Wiedergabetypen, die<br />

unterschiedlich nah am Ideal der am Ablauf der Verhandlung orientierten Protokollführung<br />

liegen. Einige dieser Protokolle sollen an dieser Stelle exemplarisch in ihrer Gliederung<br />

erläutert werden, um diese Bandbreite zu verdeutlichen. 311<br />

308 Macha 1991, 42.<br />

309 Vgl. hierzu insbesondere Seite 13.<br />

310 Belehrung der Rostocker Fakultät, Nr. 34 im WS 1629/30, zit. n.: Lorenz 1982, 366/367.<br />

311 Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden in der folgenden Betrachtung die Zitate aus den Hexereiverhörprotokollen<br />

(Grundlage ist die Edition Macha [et al.] 2005) jeweils mit Seiten- und Zeilenangabe<br />

im Text gekennzeich<strong>net</strong>.

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